Cool Summer

Diesmal habe ich es richtig gemacht. Nicht nur ein bisschen 'aussteigen' und ein paar Stunden in freier Natur abhängen. Stattdessen ganz weg aus dem Struggle. Weiter geht es nicht. Jedenfalls nicht innerhalb der Staatsgrenzen. Den nächsten Ort erreicht man zu Fuß, darin wartet ein schnuckeliger Dorfplatz mit Friterie, Bar und Café, ein kleines Schloss, Kirche und ... ja, dann ist man in einem anderen Sprachraum. Und noch weiter, ein erkleckliches Stück hört auch mal irgendwann das Festland auf. Wenn man micht fragt, ist das auch gut so.

Aus der Welt ist eigentlich nur so ein Schnack. Wie Freibier für alle oder Hitzefrei in Böhmen. Ich sitze hier unter dem Kirschbaum in einem Garten in einem Ort, in einem Landstrich, die alle drei weit weg aus der Welt sind. Gelesen wird Lee Childs Jack Reacher, was, wie ich finde, hervorragend passt. Zur Erinnerung: Jack Reacher ist der amerikanische Ex-MP, der stets nur mit einer Klappzahnbürste unterwegs ist und der Kleidung, die er gerade am Leib trägt. Ich kann bestätigen, dass Hygiene nicht unbedingt zum Aushängeschild wird.

... kann sich auch aus der Ferne über den Bachmannpreis informierenAber es gibt eine Verbindung zur Zivilisation und die leisten REWE und Aldi im 'Industriegebiet' hinter der Mühle. Die Mühle scheint schon von jeher das Industriegebiet gewesen zu sein. Und auch das ist gut so. Da weiß man, woran man ist. Zwischen hier und dem Ort, in dem es frische Fritten gibt, liegt nicht nur die Mühle, sondern auch die Telekommunikation mit dem dorfeigenen Internet, das irgendwie auch verbunden ist mit dem Rest der Welt - und das ätherisch. Kabellos und zügig.

Der Kirschbaum ist alt, hängt voller Kirschen und scheint im Umkreis eine Attraktion zu sein, obwohl es im Umkreis Kirschbäume zuhauf gibt. Angeblich war die Gegend sogar mal für ihre Zwetschgen bekannt, und man fuhr Salz vom Meer unter den Mühlen durch dorthin, wo es gegessen oder Fleisch gepökelt wurde. Auf den Salzwegen tummeln sich die Radler und der eine oder andere von denen, wenn sie ortskundig sind, schauen auch schon mal hinterm versteckten Haus hinter der Welt hinterm Zaun vor der Grenze nach den Kirschen. Wenn keiner sonst zu Hause ist.

Und sind dann überrascht, wenn doch einer unterm Baum sitzt und liest. Die ideale Umgebung, um Bücher zu schreiben. Die ideale Umgebung, um welche zu lesen. Die ideale Umgebung, um abends einen Wein auf den Sonnenuntergang zu trinken und die ideale Umgebung, um sich aus dem Internet heraus zu halten. Ich bin übrigens hierhin umgezogen. Auf diese Weise ist auch wieder ein Hund da. Wenn er gerade mal da ist, denn meistens ist der weg. Wie auch die Katzen, Igel, Hasen und eben die vielen Gäste, die man nie sieht, weil sie Haus und Garten für gewöhnlich dann besuchen, wenn die menschlichen Bewohner abwesend sind.

Arti übrigens ist ein Verbrecher. Wie eigentlich alle Hunde Verbrecher sind, aber dieser ganz besonders. Arti ist der provençalische Typ. Man weiß nicht, was der mit nem Messer in ner Bank anstellt, wenn man glaubt, er sei auf einen Pastis um die Ecke.

Schön. Ein Comic-Script ist gemacht. Um was geht's? Steampunk in freier Natur mit Tieren und arg knapp bekleideten Frauen. Und um was geht es im nächsten Roman? Jack Reacher kämpft sich jedenfalls per Anhalter durch Nebraska. Was mich an Gene Hackman erinnert und seine Botschaft an alle Revolverhelden vom mittleren Osten bis zum mittleren Westen. Ich dachte, ich wäre tot, aber ich war nur in Nebraska.

Das dachte ich auch. Aber ich war nur hinterm Rhein.