sieht aus wie ein Buch

Alles, was laut, grell und farbig ist ...

Wenn wir Spaß haben, sind unsere Sinne offen. Die Wahrnehmung konzentriert sich auf Eindrücke, die uns Freude machen. Das Phänomen wird uns auch leicht zum Verhängnis, denn wenn man umgekehrt Spaß und Freude generieren will, neigt der Mensch dazu, Eindrücke künstlich zu verstärken. Süße Früchte erzeugen Wohlbefinden. Es wird Zucker raffiniert und zur Steigerung des Glücksempfindens dem Essen hinzugefügt. Desgleichen Salz und Fett und Gewürze. Wenn das nicht reicht, lässt sich mit Hilfe von Glutamaten der Turbo der Geschmacksverstärkung einschalten. Das Ende ist die reine destillierte Sucht. Heroin, Kokain, Testosteron.

Freunde aus dem Business sprechen vom Fastfood in der Literatur, denn die Storyteller sind natürlich von der Gewürzüberflutung nicht ausgeschlossen. Das Kino zeigt, wie es geht. Dolby Surround, Kodak Color, 3-D und dünne Geschichten in viel Action verpackt und einem Overkill an Gewalt – laufen prächtig. Nach dem Genuss omni animal triste geht das Licht wieder an und man fühlt sich irgendwie schal. Popcorn und Cola im Magen, Dröhnen im Ohr und ein- zwei platte Dialoge im Kopf, scheint die letzte Rettung im Geruchsfernsehen zu liegen. Das Heimkino erschlägt mit purem Format und die Bücher vor allem mit massivem Merchandising.

Fastfood in der Literatur ist ein Geschenk der Götter für die Unterhaltungsindustrie, denn nichts lässt sich so gut und billig bedienen wie die Sucht. Die Chemiker der Unterhaltungsindustrie sind demzufolge auch die weltweit besten. Sie können einem sagen, dass zum Beispiel ein blaues Cover nicht geht. Dass weibliche Ich-Erzähler mehr Kohle bringen als männliche und Adjektive die Suppe stören. Sie raffinieren die Sprache, bis nur noch dreigliedrige Sätze aus zweisilbigen Wörtern übrig bleiben und mischen die Grundsubstanzen Sex, Gewalt und Egoismus ins passende Verhältnis, bevor überhaupt über Inhalte geredet wird.

Literatur ist ein Produkt. Seltsam deshalb, dass überhaupt noch gelesen wird. Und dass es noch keine Gesetze gegen literarische Fettsucht gibt oder Inhaltslisten, die vor den gesundheitlichen Folgen warnen (low plot, realityfree, null romance, an amount of 100 pages from this stuff supplies 96% of required sex per day – fair trade lit, kann Spuren von Erdnüssen enthalten). Wo sind die guten alten Bücher, die gegen alle Regeln verstoßen, auf longlist und shortlist fehlen und trotzdem von keinem aus der Hand gelegt werden, der den geheimnisvollen – blauen – Deckel aufschlägt?

Hin und wieder boomen solche Geschichten. Ich erinnere mich gern an Gabriel Garcia Marquez. Alles falsch gemacht. Götter und Engel in einem magischen Universum, in dem weder Gentech noch Handys vorkommen, Frauen Frauen und Männer Männer sind und alle zusammen immer wieder merken, dass Gewalt keine Lösung ist und die Welt grundsätzlich ungerecht. Alles, was passiert, ist so echt wie irreal und die Sprache des ganzen nicht Englisch, sondern Spanisch. Wenn ich nicht irre, hatte meine Ausgabe von Cien Años .. sogar ein blaues Cover.

Oder war es Harry Mulischs Entdeckung des Himmels? Auch so ein marketing-Fehler. Cervantes habe ich seinerzeit noch aus DDR-Auflagen bezogen. Der Bursche hat ja sein Werk komplett gegen den Stream konzipiert. Wenn man so durchs Regal schaut und die Stücke darin bloß ansieht, kann man schon zwischen Geschichten und Attrappen unterscheiden. Die Attrappen sehen neuwertig aus, unbenutzt und ungelesen. Sie sehen eben aus wie Burger auf einem Werbeplakat. Es könnte ein Preis dran stehen: Happy Meal mit alkoholfrei Getränk PLUS Buch: 8,99. Die anderen sehen eben aus wie -hm- Bücher.

So, jetzt will ich mal wieder ...