Gute Zahlen aus Gütersloh

Bis heute morgen wußte ich nicht so genau, was ein Headhunter eigentlich ist. War nie einem begegnet. Ich dachte, das gäbe es nur bei Banken und im IT-Bereich. Autofirmen sollen sich mit diesem Personal bewaffnet haben, aber Verlage?

Nun, der Mann wirkte sehr seriös, tadellos gekleidet, tadellose Manieren, etwas zu agil in Sprache und Gedanken, ständig bemüht, zielgerichtet zu wirken. Eines seiner Lieblingswörter war das Konzept. Nun bin ich mir nicht sicher, ob er Konzepte und Rezepte einwandfrei auseinander halten konnte, aber das Konzept, das er nicht hatte sondern vertrat, für das er sich einsetzte, war das eines frischen, intellektuellen, hochkarätig ausgestatteten Publishers.

Ausstattung meinte so alles in allem nicht die Software, Räumlichkeiten oder Druckgerät, Ausstattung meinte Autoren. Als ich einwandte, es gäbe doch so viele von uns, fiel das gute alte Wort händeringend als lebendiges Bild der Härte seines Berufs angesichts der gleichermaßen dringenden wie unbefriedigten Bedürfnisse eines vitalen Marktes mit rasanten Zuwachsraten wie dem, dessen Vertreter er vertrat.

Handverlesen kam auch zwei drei Mal vor. Ausstattung ist meiner doch eher konventionellen Meinung nach der Job eines Dekorateurs. Schriftsteller werden gesucht, sagt er. Man müsse wohl bald - Scherz muss sein - in Indien deutschsprachige Textingenieure anwerben. Indische Autoren, die in unsere Sprache übersetzt würden, schieden als Lösung insofern aus, als Übersetzer ebenso schwierig zu finden seien wie Autoren. Englisch und Schwedisch ginge noch. Asien ist neuer Markt.

Qualifiziert war übrigens ein zweites Dauerwort, das zumeist mit den gesuchten Klienten in Verbindung stand. Möglicherweise sind es nicht Personen, die ein Headhunter sucht, sondern grundsätzlich so etwas wie Qualifikation. Mit dieser Eigenschaft ist es wie mit der Performance. Beide sagen eigentlich nichts. Ein qualifizierter Performer wie dieser Innenausstatter kann ein Lied davon singen. Er sucht nach einem Phantom. In mir glaubt er, es gefunden zu haben.

Ich habe erst mal abgelehnt. Es ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. Zu früh Ja zu sagen, schmälert die Einkommenschancen. Zudem denke ich noch über die Ablöse nach. Das wußte ich bisher auch nicht. Man kann sie selbst einstreichen, wenn man nicht dauerhaft unter Vertrag steht. Der Dekorateur schlägt vor, wir sollten sie uns teilen. 3:1 ist sein Angebot.

Nachmittags fuhr ich dann an einem Plakat vorbei. Jesus sei der Weg, die Wahrheit und das Leben, hieß es in roten serifenlosen Großbuchstaben auf schwarzem Grund. Ganz unten stand die Auflösung des esoterischen Rätsels, man könne die Werbefläche mieten. Ehrlich gesagt habe ich heute den gesamten Tag damit verschwendet, das Essen von der gestrigen Party zu vertilgen.