ALLöF WIRD GUT - Freistil

Von Anfang an läuft die Sache schief, weil sich um den Schaulustigen weitere Schaulustige sammeln. Man wird nervös unter den Augen eines wachsenden Publikums. Ich komme mir vor wie eine Ziege mit drei Hörnern. Eine Schwimmziege. Die zweite große Attraktion des Tages neben dem dicken Bauch eines Schiffes von unten. Statt die Performance routiniert zu Ende zu bringen, zieht man seine Pläne in Zweifel, versucht sie aufzupeppen und der Skepsis der Umwelt mit vorgespielter Kompetenz zu begegnen. Ein Fehler. Der Rhein fixiert mich unter den von Sensationen noch nicht gesättigten Augen der Zuschauer wie eine Robbe im Delfinarium. Wenn ich nicht mindestens einen Hering auf der Nase balanciere, werden sie nicht nach Hause gehen. Keine Chance.
Statt mich einfach auf die Spitze der Insel treiben zu lassen, kraule ich in Richtung Hauptstrom los und komme erstaunlich weit damit. Jedenfalls kann ich mich den Blicken der Landratten entziehen oder umgekehrt sie den meinen. Im Wasser sind die Wellen höher als an Land, und ich habe keinen Orientierungspunkt ausgeguckt. Als ich das Versäumnis nachzuholen versuche, saugt mich ein unerklärlicher Strom rückwärts. Ganz gleich, welche Richtung ich einschlage, es zieht mich immer dahin, wo ich keine Augen habe. Vorzugsweise nach unten. Das verunsichernde Gefühl, dass sich in meinem toten Winkel alles sammelt, was für mein weiteres Leben von Bedeutung ist, hindert erstaunlich effizient am klaren Denken. ALLöF WIRD GUT ...
... auch das mit den Zähnen:

Sie lesen hier
den Roman in Episoden

Premiumleser wissen mehr: hier für 9,99€ das Taschenbuch
Ich atme nicht einmal mehr, paddele, strampele, kämpfe gegen graue Wassermassen. Ich stampfe, röchele, versuche, möglichst viele Gegner mit mir in den sicheren Tod der Schlacht zu reißen. Als mein Fuß unerwartet den Boden berührt, kraule ich in Panik wild drauflos, denn der Act soll nach allem, was ich investierte, nicht ganz vergebens sein. Nur weg von da, wo ich bin, denn überall, wo wir nicht sind, ist es angeblich besser.
Am Ende des Tages lässt sich rekonstruieren, dass ich Grafenwerth etwa mittig getroffen hatte, dort die beiden Eilande verwechselt, was mich, ohne die verräterische Strömung zu beachten, panisch auf den Rückweg warf, und mit Riesenglück gerade noch so den unteren Zipfel der Nonnenwerth erreichen liess. Ein guter Schwimmer war ich schon immer, und der Rest meines Weges über den Seitenarm zurück an den Ausgangspunkt somit eine leichte Übung. Bei Einbruch der Dunkelheit stand ich da, wo ich nachmittags ins Wasser gestiegen war. Und schätzte meine Chancen, die selbe Distanz noch einmal zu schaffen. Meine Zeit im Wasser hatte mich vor allem in einer Richtung weiter gebracht: stromab.
Ich folgte seinem Lauf noch ein paar hundert Meter in Richtung zum Meer, weil Nord-Nord-West ein Campingplatz ist, ein ehemaliges Gefangenenlager der Amerikaner. Heute sind auf dem Gelände hauptsächlich Holländer interniert. Dort warf ich mich über den Zaun ins Gebüsch und dachte über meine Taten nach; die Frage, wie ich mich dafür rächen konnte, und an wem.

-- Fortsetzung folgt -- Anfang hier --