Nachtbus

Es war so gegen 00:30 Uhr am Rande des kleinen Parks unten am Fluss. Ich rauchte. Jemand hatte eine Büchse Bier halb ausgetrunken und als Aschenbecher stehen gelassen, damit sich anschließend nichts entzündet. Möglicherweise hatte derselbe auch einen Teil seines Mageninhaltes dagelassen, vielleicht aber auch eine Katze. Gegenüber fuhr die Vier ab und die Vierundzwanzig. Die Bushaltestelle leuchtete neongrün aus einer Reklametafel heraus über die Straße. Kein Verkehr. Die Frau wimmerte leise unter den Schlägen eines Typen um die fünfundzwanzig. Vielleicht auch älter. Er hielt seine Faust in der eigenen Augenhöhe und schlug dann runter. Meistens traf er ihre Hände, die sie vor dem Gesicht verschränkt hielt. Ich dachte an die lauen Sommernächte damals in der Münchner U-Bahn, den Geruch der Schächte, weit weg: Gummi, Schweiß, seltsame Mischung.

Immer wenn die Frau zurück geworfen wurde, schallte ein hohler Donner von der Rückwand des Haltestellenhäuschens. Wahrscheinlich Acrylglas. Sie härten es mittlerweile so, dass man die Scratches der Tagger nicht mehr sehen kann. Stattdessen waren dort Graffiti angebracht, die alles mögliche bedeuten konnten. Stilisiertes Zeugs aus einem groben schwarzen Filzer. Der Typ wurde laut. Man konnte nicht verstehen, um was es ging. Damals in München war es um verletzte Gefühle gegangen, Eifersucht und Versöhnung. Vielleicht nicht mal das. Ich sah eine Weile zu, wie die Frau nach hinten geworfen wurde und dabei zum Schutz immer wieder ihre Knie nach oben zog. Manchmal streckte sie einen Fuß aus und wehrte den Angreifer ab. Eine unentschlossene Geste. Damals in der Münchner U-Bahn war ich rübergegangen, hatte den Typ zur Rede gestellt. Lange her.

Der Kerl hier hatte wirklich Ausdauer. Er ließ es nicht bleiben. Ein echter Macho. So ein Typ, der mit dreißig schon zweifacher Vater ist. Gut angezogen, nicht geschmackvoll. Sie eher mainstreamig mit lockigen schwarzen Haaren, die ihr Gesicht wie eine zu große Mütze verdeckten. Ansonsten kein Mensch. Hinterm Zaun war die Party am Biergartenkiosk schon um elf Uhr zu Ende gegangen. Die Verbleibenden hatten sich ans Ufer verdrückt. Übrigbleiben ist Charakterschwäche. Er prügelte weiter auf sie ein.

Scheiß Schlampe? Schlecht zu verstehen, was da verbal über die Straße kam. Ich steckte mir eine zweite Zigarette in den Mund und betrachtete die Sterne. Kassiopeia und Mond. Damals in München war ich rübergegangen und hatte den Typ zur Rede gestellt. Er ging sofort auf mich los. Ich hatte ihm gesagt, er solle mal einen Gang zurück schalten. Was man so von sich gibt in solchen Momenten. Scheiße, damals hatte ich eine Uniform an! Von der Bahn. Schaffner im Nebenerwerb. Kein schöner Job, nachts in den Dunkelfallen des ÖPNV. Leere Bahnhöfe, verlassene Stationen, Busse ohne Fahrgäste und manche ohne Wiederkehr. Das Depot für Verlorene und Trinker. Der Typ drüben ließ immer noch nicht locker.

Zigaretten schmecken nachts anders. Ölig, tranig, emotional. Kein Speed dahinter, keine Kraft. Das liegt vermutlich am Alkohol. Er lullt ein, und das ist wohl auch die Wirkung, die wir suchen. Der Kerl drüben war immer noch nicht fertig. Einer von den Männchen, die allein durch ihre Beharrlichkeit die Evolutionskette anführen. Was hatte die Frau mir damals in München gesagt? Kümmer' dich um deinen eigenen Scheiß? Blättchentabak ist auch nicht mehr das, was er mal war. Ich ging zum Ufer runter, dann rechts ...