der Blaue oder der Gelbe

Mein Kumpel Fred arbeitet für den Film. Freischaffend. Sie arbeiten alle freischaffend. Sogar bei den Öffentlich-Rechtlichen arbeiten alle freischaffend. Die nicht freischaffend arbeiten, arbeiten gar nicht, sagt Fred. Fred hat keinen guten Stand bei seinen Auftraggebern, wie man sich denken kann. Er redet einfach zu viel. Und was er redet, gefällt niemandem. Fred sollte Drehbuchautor sein, aber was er schreibt, ist dialoglastig. Fred hat kein Gespür für Bilder. Beim Film sollte man ein Gespür für Bilder haben. Natürlich auch für den Sound, aber Fred ist nicht der musikalische Typ. Eigentlich zeichnet Fred nichts aus, was man so auf Anhieb als Qualifikation für die Filmbranche ansehen könnte. Sein größtes Manko ist (naja, eigentlich sollte ich das nicht verraten, aber ja ...) Fred ist farbenblind.

Fred konstruiert Gadgets. Er kann Pappmasken, Außerirdische, futuristische Autos, vor allem Weltraum kann Fred gut, weil dort Farben spärlich sind. Und er kann Schießereien echt aussehen lassen. Fred ist der absolute Gott der Filmbombe. Er weiß soviel wie kein anderer über Bomben, die in Stadien entschärft werden müssen, auf nuklearen U-Booten, in Goldreservoiren, Präsidentenflugzeugen und Kindergärten. Fred weiß soviel darüber, dass man meinen könnte, er sei selbst ein Bombenleger. Nur sind seine Produkte für den taktischen Einsatz ungeeignet. Wer baut schon einen Countdownzähler an einen Sprengsatz, der auch noch präzise anzeigt, wieviel Zeit zum Entschärfen bleibt?

Fred tut das. Fred hatte schon einmal den Einfall, einen Film zu würzen, indem er einen Zünder baut, der genau dreißig Sekunden vor der Null hochgeht. Ein Taschenspielertrick, den man ihm am Set als Spoiler ausgelegt hat. Man stelle sich vor, das Bombenkommando zieht die Schutzwesten an und stapft in den Tunnel unter der vollbesetzten Arena, jemand warnt: Chief, wollen Sie da wirklich rein? Die Uhr zeigt 00:31 an, und während der Chief antwortet, dass echte Männer in solch... paff, geht die Kiste hoch und der Abspann kommt. Also, Fred wird niemals Regisseur.

Wie erwähnt, kann Fred schlecht Farben unterscheiden. Letzten Monat traf ich ihn im Baumarkt. Musste einen neuen Brausekopf besorgen und Silikonkautschuk. Fred kam aus der Elektroabteilung. An der Kasse trafen wir uns. Gewohnt, auf Details zu achten, hätte ich schon zu dem Zeitpunkt schlimmeres verhindern können, aber man deutet ja nicht immer alles richtig. Fred hatte vierpolige Sicherungsautomaten gekauft, LCD-Displays mit Nummernfunktion und Draht, Frostschutzmittel in zwanzig Kanistern zu zehn Litern und Eimerweise Plastikgranulat. Natürlich ein Auftrag. Top Secret meinte er. Ich hätte ihn warnen sollen. Er trug eine Sonnenbrille, und das an einem Tag, an dem naja, sowas wie Sonne etwa zwei Monate oder dreitausend Kilometer entfernt war. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf.

Gestern hörte ich, was am Set passiert war. Sie wollten drehen, hatten alles komplett, die Sportwagen der Supercops standen auf dem Parkplatz, eingekeilt von Panzerwagen eines Requisitenverleihs. Hunderte von falschen Polizisten, Spürhunden und einem kleinen Roboter, der schon mal am Mars gewesen ist und jetzt das Highend-Entschärfungsgerät darzustellen hatte. Das Stadion über dem Abwasserkanal johlte, ein Hubschraubermodell 1:7 kreiste über dem Geschehen, und Fred installierte sein Equipment. Der Kameramann rennt zum Regisseur und schreit: So kann ich nicht arbeiten.

Was war passiert? Fred hatte statt rotem und grünem Draht blauen und gelben gekauft. Die Tricktechniker meinten, sie könnten es retouschieren, aber die Schauspieler verhaspelten sich dauernd: Ist es der Rote oder der Gelbe? Shit, ich meine, schneide ich den gelben Draht oder den blau..., Mist ... und dann kam die Null, und beim zwanzigsten Dreh ließ sich die Uhr nicht mehr zurückstellen. Fred arbeitet jetzt für eine Internetfirma. Das ist auch der Grund, warum in letzter Zeit das DSL abstürzt. Fred ist einfach ein Typ aus der Schwarz-Weiß-Epoche.