Formentera

Passend zum letzten Tag auf Ibiza finde ich heute im Hotel ein Büchlein mit Geschichten über Formentera und die Pityusen. Darin hat Josep Rubio Monsant eine Sammlung von Geschichten und Anekdoten über die Inseln veröffentlicht, in denen sich schön schmökern lässt. Bei dieser Gelegenheit lässt sich auch das Heute mit dem Gestern abgleichen und die Geschichten, die uns die einheimischen Guides erzählen, mit denen, die vielleicht nur noch alte Leute kennen.

Es gibt sie also noch, die Insulaner, die echten. Schmuggler, die mit ihren Booten untergingen, Dynamitfischer, Jäger, Köhler und die Unglücksraben, die im Weltkrieg eine Seemine aufzubrechen versuchten, weil sie darin wertvolle Fracht vermuteten. Ein gewaltiger Knall hat seither die Inseln in etwas verwandelt, das es so über zweieinhalb Jahrtausende Menschheitsgeschichte nicht gegeben hat. Armut und Analphabetismus sind ja mittlerweile Fremdworte hier, ganz besonders für diejenigen, die sowieso nur rudimentäres Spanisch sprechen, nebst dem inseleigenen Katalan.

Mein bestes Erlebnis in den vergangenen Wochen war der freie Tag, an dem ich aus angeborener Nachlässigkeit gearbeitet habe. Der ließ sich ruhig an, weil meine Kollegin die schwere Last der Verantwortung tragen durfte. Und ich nicht mehr als die rote Weste, mit der wir hier uniformiert sind. So ausgestattet und gleichzeitig befreit lässt sich Formentera tatsächlich genießen. Vor allem eins, nämlich die buchstäblich kristallklaren, azurblauen Gewässer, über die sich die Kataloge ausschreien, seit man rund um die Eilande das Seegras Poseidonia zum touristischen Kassenschlager erklärte.

Formentera wimmelt von Italienern, die dort ihre Motorroller ausfahren können. Immerhin sechzehn Kilometer lassen sich an einem Stück zurücklegen, dann kehrt man am Leuchtturmende wieder um und fährt zum Hafen zurück. Unterwegs wird gegessen und gebadet. So machen wir es auch, doch nutzen wir die Inselbusse, von deren technischem Zustand Reiseleiter nach sechs Wochen ein Lied singen können. Die Mutterinsel allerdings schießt auch in dieser Disziplin den Vogel ab.

Da war ein Bus, der kein Mikrofon hatte, was unsere Arbeit nahezu unmöglich macht. Wenn man dann verbotener Weise den Gang entlang tingelte, um die Fahrgäste einzeln mit gegen die Lüftung andröhnender Stimme über das nötigste zu informieren, stieg unser Fahrer, der nebenbei aus Mauretanien stammt, so hart in die Bremsen, dass der Reiseleiter den Boden aufwischte von Heck bis Bug. Und der Grund für diese scharfe Manöver offenbarte sich im letzten Kreisverkehr, wo der Bus kurzerhand verreckte, weil die Hydraulik aufgab.

Auch diese Story gehörte in die Geschichtensaammlung über die Partyinsel, deren Angesicht so wenig dem gleicht, was Phönizier, Römer, Vandalen, Araber und Hippies darin gesehen haben mochten. Doch sie kommt darin nicht vor wie auch nicht die Balkonspringer, von denen bei einer Pausenzigarette unser Guide erzählt. Die dröhnen sich nämlich gern in den Diskothekenhotels mit Drogen zu und hüpfen dann vom fünften Stock in den Swimmingpool. Und wachen in Can Misses wieder auf, wenn überhaupt, im Hospital von Ibiza Stadt.

Und ich wache im Transfer-Bus zum Flughafen auf, als die letzte Reisegruppe die Insel verlässt. Da es früh am Morgen ist, fehlt der übliche Verkehr zu Buchten, Stränden, Diskotheken und Restaurants (in denen nur Einheimische essen), und das Eiland ist still und beschaulich unter seinen verwaisten Baustellen, die nur in der Saison eröffnen. Ja, dieser eine Tag auf Formentera, man sollte ein Werbeplakat davon machen! Denn so kann Urlaub sein, wenn man sich dafür Zeit nimmt.