Droh-NE

Was geht in einem Menschen vor, der gezwungen wird, ein Gift zu mischen, von dem er ahnt oder wissen soll, dass er dieses Gift am Ende austrinken wird müssen? Ich nehme an, der Mensch wird schizophren. Er beginnt, von humanitären Einsatzmöglichkeiten seiner Entwicklung für medizinische Zwecke zu faseln. Er wird Fälle konstruieren, in denen seine Entwicklung geradezu zwangsläufig das einzige Heilmittel darstellt, um schlimmste Szenarien zu verhindern. Gesetzt den Fall, ein terroristischer Terrorist terrorisierte deine Familie, und es gäbe keine andere Handhabe als dieses Gift, du hättest die letztgültige humanitäre Waffe entwickelt, um Gutes zu tun.

So in etwa die Argumente der Drohnen-Entwickler. Nicht nur das Thema selbst erzeugt Unbehagen, es ist die Technikbegeisterung, mit der wir ihm begegnen, die physische Schmerzen verursacht. Ein Fernseh-Bericht über Drohnen in Kriegführung, Entwicklung und zivilen Einsatzplänen dreht mir gerade den Magen um. Grenzüberwachung zum Beispiel, Verkehrsplanung, öffentliche Sicherheit. Ein indisch-stämmiger Amerikaner faselt von Einsatzmöglichkeiten autonomer Flugroboter bei Hausbränden. Sicherlich ist die Feuerwehr neben dem Militär einer der Hauptsponsoren seiner Arbeit.

Was machen diese Roboter der Lüfte? Kurze Formel: spionieren und töten. Und das möglichst autonom. Wir sehen also begeistert einer Entwicklung zu, die in absehbarer Zeit unser aller Leben gefährden, beeinträchtigen und zu einer Billigware verkommen lässt. Jeder Hansel kann sich schon heute für knappe fünfhundert Dollar einen Bausatz kaufen, mit dem es möglich ist, jeden anderen auf diesem Planeten unerkannt auszulöschen. Das alles präsentiert die Filmdokumentation mit heroischer Musik und glücklich strahlenden Entwickler-Gesichtern.

Wir konstruieren den Untergang der Kernwerte unseres Menschseins und entziehen uns die biologische Grundlage dessen, was wir gern menschliche Überlegenheit nennen und delegieren sie an unsichtbare Tötungsmaschinen, die sich weder an Gesetz, Moral noch Abkommen zu halten haben. Kriegführung gegen jeden und alles schon jetzt und geradezu dümmlich daher gestelzte Erklärungen, warum das ganze nicht oder nur grenzwertig gegen Menschenrecht oder Kriegsrecht verstieße.

Ja, das Eingeständnis ist unvermeidlich, wenn man nur einen Moment darüber nachdenken will: wir haben die Kontrolle längst verloren. Wir KÖNNEN gar nicht anders, als unseren Giftbecher selbst anzurühren. Warum? Weil ihn sonst andere anrühren, die möglicherweise vor uns damit fertig sind, und die sind Terroristen.

Terror ist der Schrecken. Terroristen sind also die, die den Schrecken verbreiten oder produzieren. Im mathematisch-logischen Sinne sind wir also die guten Terroristen, die den bösen Terroristen zuvor zu kommen haben, indem wir Schrecken unter den bösen Terroristen verbreiten, die sonst ihren Schrecken unter uns verbreiten. Im Ende ist das Ergebnis gleich, auch wenn man die Rollen umdreht und das ganze aus der Sicht der bösen Achse gespiegelt sieht. Dort fühlt man sich nämlich möglicherweise durch die über den Köpfen schwebende Gefahr genauso terrorisiert, wie wir uns fühlen würden, wenn Taliban an den Joysticks in New-Mexiko säßen.

Und das wird geschehen. Unabwendbar.

Wir werden in einer Welt leben, in der jederzeit die Hölle auf uns herab regnen kann. Denn das ist das neue Konzept der Sicherheit. Wir entwickeln selbst unsere Verunsicherung. Da wissen wir wenigstens, was wir haben. Muss man sich privilegiert fühlen, wenn man zuschauen darf, mit welcher Begeisterung unsere Wissenschaft den Terminator zusammen setzt, der dann in ein paar Jahren aus der Zukunft zurück haarscharf an unseren Kinos vorbei als wahrhafter Blockbuster in und über unsere Köpfe kommt?

Menschen sind drollig.