... auf den Hunt

So geht der Schnösel weiter: wir sind in Hansens Villa

Tja, gute Frage. Sagt Siebenmorgen ist AnwaltSiebenmorgen und blickt nun doch noch verräterisch zum Nachbarhaus, das abgedunkelt und verlassen im Spätabendlicht des Frühsommers einer laufenden Fußball-WM fast etwas gespenstisch, jedenfalls mal verwaist und verloren wirkt. Also, sage ich, stimmt es! Biege mir noch auf dem Absatz sozusagen das Ausrufe- zu einem Fragezeichen per nachträglich modulierter Satzmelodie ... in der letzten Silbe. Versuchen Sie das Kunststück, ein ES zu einer Frage zu biegen! Siebenmorgen preßt seine Mundwinkel aufeinander und nickt unmerklich. Schön, denke ich.
Mission ‘Auf den Hund gekommen’ läuft gut an. Mister XMister X wurde eine Nacht lang hinter einem Auto hergeschleift ist der Kerl, der nebenan wohnt. Zur Frage der Rechtmäßigkeit allerdings herrscht einhelliges Schweigen. Es ist gut, einen Verkehrsrechtsexperten im Freundeskreis zu wissen. Schon allein, wenn man mal geblitzt wird. Aber im Grenzbereich zwischen bewegtem und ruhendem Verkehr scheint Siebenmorgen nicht ausreichend firm zu sein. Er verweigert hartnäckig die Aussage. Ist ein alter Anwaltstrick im Straßenverkehr.
Etwas lenkt mich ab von der Idylle. Aus dem Hinterzimmer blinkt es. Eine Taschenlampe. Ich blicke dahin und sehe: Hansens Tochter (19). Virginia-Chloe ist ein schwerer Missgriff im Namensregister, den sie selbst durch Französisierung des ersten Namensteils korrigiert: Virginie-Chloe allerdings hört sich nach unentschlossener Lebensführung an. Soll ich oder soll ich nicht? Seit sie sexuell unter uns ist, wartet V-C auf den Vampir, der sie beißt, hat allerdings, wenn ich es richtig verstehe, Angst vorm ewigen Leben. Als sie das letzte Mal nackt im Sommer auf dem Fahrrad zu mir geradelt kam, riet ich ihr, sich einen Holzpflock in den Nachttisch zu legen, um den Konsequenzen von zu frühem Sex mit zu alten Männern elegant aus dem Weg gehen zu können. Man braucht allerdings auch einen Hammer. Und es ist eine ziemliche Schweinerei. Für den Rückweg gab ich ihr ein Handtuch mit. Muss ungeheuer erotisch sein, mit einem Kerl zu schlafen, der dem Papa den Arsch versohlt. Aber eins von beiden liegt mir nicht. Leider. Die Taschenlampensignale kommen heute durch die Schaufensterscheibe des Hansen’schen Arbeitszimmers, der Lamellenvohang dort schiebt sich auseinander und V-C präsentiert ihre Muschi. Drei Mal kurz, drei Mal lang. Ist wahrscheinlich ein Harry Potter – Signal. Oder ihr Puls auf dem Knöpfchen. Sagen wir: Public Viewing dazu. Was kann sie dafür, dass ihr zehn Jahre Lebenserfahrung fehlen? Und stattdessen in ihrem Kopf diese Hohlnummer von Blutsaugern und Werwölfen gegen Ken und Barbie fightet? Der nächste Schritt in die Freiheit ist die Droge. Mein Problem isses nich. Kann vielleicht mal irgendein Türke zur Rettung eilen, und dem Papa mit seinem Proll-BMW gegen dessen Proll-Mercedes und der dumme Gelaber von patriarchalische Werte gegen der dumme Gelaber von Merguez mit Baguette ohne e voll in Arsche trete, damit der kleine Ficke eine Chance auf echte maskuline Erfahrung in Lebe kriegt?
Hansen, sage ich, es ist vielleicht nicht der Moment, aber ich möchte gerne noch etwas genauer wissen, was da nachts warum hinter deutschen Stoßstangen passiert, also ruf mich an, sobald du wieder nüchtern bist. Ich komm nicht mehr mit rein. Mein Hund wartet. Wieviele von den Biomerguez hast du noch? Für gute Freunde immer, antwortet er. Ich höre einen Riesenlacher neben dem Grillmonstrum aufschallen wie die Laolas von der Wildwasserbahn kurz vorm Absturz und dann die Stille des Sommerloches vom Samstag Abend nach dem Zubettbringen von Quad, Rasentraktor, Motorsäge und Co. Hinter der Panoramaglasscheibe quietscht V-C dem Abgrund entgegen. Wahrscheinlich ist die Tante voll zugedröhnt. Ich denke, Lehmann wartet. Auch wenn er nicht Lehmann heißt. Hansen, sage ich, mein Hunt verträgt gar nicht so viel scharfe Gewürze. Wir lassen das dann mal mit der Wurst. Ruf mich an. Den Rest der Familienfeier spare ich mir, weil ich das meiste vom Programm ohnehin schon kenne. Vom Hörensagen, Hin- und Wegsehen.

Ist es nicht seltsam? Man wünscht sich immer, dass es anders wird, und wenn es dann endlich anders wird, dann bekommt man es mit der Angst zu tun, weil sich die Dinge ändern könnten. Auch zum Guten hin. Manche Dinge ändern sich deshalb nie.

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