Im Schwitze deines Schweißes

Unter Bäumen zu schlafen, ist eine eigene Erfahrung. Das Pappelwäldchen gehört offenbar den Elstern. Von ihnen gibt es in Spanien eine besondere Sorte. Sie sind etwas schmuckvoller als unsere, größer und frecher. Diese hier waren mit mir anfangs unzufrieden, ließen mich dann aber in Ruhe. Die knorrigen Wurzeln unterm Baum spürte ich bald nicht mehr und dann kam wie ein schwerer Hammer der Schlaf. Eingeringelt zwischen dem Wurzelwerk wachte ich am nächsten Morgen auf, hatte gut geträumt und sogar den einen oder anderen Stern zwischen den Ästen schimmern sehen. Der Wind und die Autobahn weit weg machten ein Geräusch, das ans Meer erinnern konnte, und die kühle Luft strich ungesehen übers Land. Ein rötlicher Schimmer leuchtete am westlichen Horizont die ganze Nacht über bis zum Morgen. Das meteorologische Phänomen rief mir die Gefahr von Bränden in Erinnerung. Hier war ich allerdings sicher, denn neben dem Wäldchen dümpelte ja der Teich. Mücken spürte ich nicht. Vielleicht waren welche dort, ich aber zu müde, sie wahrzunehmen. Am Morgen fühlte ich mich dennoch völlig ausgelaugt, verschwitzt und müde.

Eine Stunde wanderte ich so die Straße in Richtung Salamanca hin, weil ich hoffte, ein Café zu finden. Nichts. Dann eine zweite Stunde, dann eine dritte. Eine winzige Ortschaft, für die ich den Weg verließ, blieb ausgestorben. Eine eingefallene Kirche gab ein Fotomotiv ab, Wasser fand ich nicht, keinen Kaffee, kein Waschbecken. So ging es weiter, bis ich den Eindruck hatte, dass es nicht weiter geht. Zwei harte Tage ohne Zivilisation laugen dich aus. Mein eigenes Wasser ging zur Neige, Salamanca ließ sich am Horizont blicken. Seine Türme stachen aus einem weit entfernten Tal, unmöglich, die Entfernung zu schätzen. 10 km sagte das Handy, bis zur Ortsgrenze. Wieder ein Tiefpunkt, da auch die Beine nun klare Signale sandten. Ich gehe, gehe und gehe. Endlich wird die Silhouette der Stadt klarer. Ein-einhalb Stunden vor Salamanca schaffe ich es gerade so bis zu einem Café an der Straße in einem Vorort namens Aldeatejada. Ein Kompressor rumort neben meinem Tisch, aber der Kaffee tröpfelt über meine Zunge wie Elixier des Lebens. Danach geht es dann leichter. Nach einem staubigen Umweg durch ein heilig-klingendes Tal kommt ein Bahntunnel, eine Brücke und dann dieser ergreifende Anblick der Stadt. Geschafft.

Eigentlich hätte ich meine Kleidung gleich verbrennen sollen. Fühle mich wie ein Wildtier in einer monumental reichen Stadt. Dusche und Rasur bringen mir einen Hauch von Zivilisation zurück. Als genug Kraft im Körper steckt, um die Treppe der Herberge hinunter zur Tür hinaus zu gehen, bin ich gleich so überwältigt, dass ich völlig die Orientierung verliere. Einem Freund werde ich schreiben, dass man die Sehenswürdigkeiten Salamancas auch auf ganz Kastilien hätte verteilen können. Dann wäre der Weg hierher kurzweilig gewesen. So bleibt der Eindruck, tagelang durch Einöde gewandert zu sein, um sich danach in einem Labyrinth aus monumentaler Architektur zu verlieren. Man weiß nicht, wo man hinschauen soll. 40.000 Studenten auf 144.000 Einwohner lassen erahnen, wie es in den Straßencafés aussieht. Auch Miguel de Cervantes hat hier studiert. Schön ist die Casa de las Conchas: im Abendlicht heben sich die plateresken Muscheln von der Fassade ab und zeigen, welche Bedeutung für Salamanca der Jakobsweg hat.