Wohin nur?

Zweifel. Der ganze Morgen im Zweifel.

Doch man darf sein Ziel nicht aus den Augen verlieren. Nach Zamora zweigt ein Weg zum Camino Portugués ab. Im Dämmer, wenn man noch nicht richtig wach ist und in Gedanken schweift, passiert es schnell, was mir passiert ist: ich bin plötzlich auf dem Weg nach Portugal. Erst als der Ort nicht kommt, in dem ich gerne frühstücken will, begreife ich die Situation. Abgekommen von der Route, kann ich nach Westen weiter oder mich durch die Felder schlagen, um zur Via de la Plata zurück zu kommen. Entschieden, der Via de la Plata zu folgen, gehe ich an der Hochgeschwindigkeitstrasse des AVE lang und werde von Brücke zu Brücke im Zickzack gelotst. Dazwischen Sandwege, die im Nirgendwo enden. Der innere Kompass versagt, und es wachsen die Zweifel, an allem. Was mache ich hier? Inmitten abgeernteter Felder? Gleich meldet sich das Knie wieder und die mittlerweile drei Apps zum Camino beginnen sich heftig zu widersprechen. Das Frühstück ist längst vergessen, als endlich der kleine Ort Montamarta in Sicht kommt. Es ist Sonntag, und der Fleck auf der Landkarte am Rande der Carretera gibt nicht viel mehr her als einen Kaffee. Da sitze ich nun. Mit meinen Gedanken, und meinem Knie. Kaufe Zigaretten und rauche.

Und dann sehe ich Enrique die Landstraße entlang eiern in dem ihm eigenen Gang. Kurze Zeit darauf sitzen wir zu zweit da und tauschen die Informationen aus, die wir eigentlich beide nicht haben. Ihn zieht es nach Granja de Moreruela, dann weiter nach Astorga und zum Camino Francés, mich eher in Richtung Tábara. Rechnen und Planen verlaufen praktisch im Winde. Schließlich kommt Enriques Joker, mit dem man jede Partie entscheidet. Die Brände um Zamora haben gerade da am stärksten gewütet, wo Tábara liegt. Ob der Ort überhaupt begehbar ist, steht in Zweifel. Freunde wollen mich per WhatsApp überzeugen, dass von Astorga an der Camino wundervoll sein soll. Und nach allem Hin und Her ist der Verstand dermaßen verwirrt, dass mir aus dem Leib heraus die Idee kommt, jetzt erst recht Tábara anzusteuern. Mir widerstreben die Massen, die ich auf dem Camino Francés erwarte.

Es ist der 14. August, Sonntag, einen Tag vor dem Feiertag (in Deutschland Maria Himmelfahrt), als ich in die örtliche Tankstelle gehe, um dort Wasser zu kaufen. Sie haben Wasser. Und Chips. Und Motoröl. Mit dieser Ausrüstung 27 km in verbrannte Erde laufen? Tja, ich würde es gerne tun, allein schon, um Fotos zu zeigen von dem, was wir der Erde hier angetan haben. Die Presse spricht von der Hölle, Alptraum, Dante, Apokalypse. Ein Schäfer soll sich geweigert haben, das Areal zu verlassen. Man fand ihn verbrannt auf. Feuerwehrleute wurden verletzt, und während ich das schreibe, sitze ich vor einem gemauerten Grill an der Albergue von Montamarta und sehe zu, wie die trockenen Halme sich im heißen Windhauch wiegen.