Genitiv ins Wasser weil's Dativ ist

Jetzt wissen es alle: ich bin kränk. Sechs Wochen mit dem Mopett im Regen (also, nicht die ganze Zeit, sondern nur, wenn ich im Sattel saß), und schon Blasenweh. Ein Kumpel sagt: Geh doch mal zum Arzt! Dem Rat will ich jetzt erst mal nicht folgen, denn a) habe ich gerade fünf Ärzte durch und b) ist mein Hausarzt (vielleicht etwas zynisch hier zu sagen) aktuell verstorben. Ich setze auf die Selbstheilungskräfte, die vor allem mit Ruhe verbunden sind.

Und schalte den Computer ein.

Es ist die Wiederentdeckung der sozialen Medien, die ich schon lange geschlampert hatte, war ich doch vornehmlich in Südeuropa unterwegs, wenn nicht in der Umgebung mit dem Rollitaxi, und hatte kaum Zeit für die Sozialstation im Netz. Heute habe ich - gefühlt - zehn Jahre des Selbstdarstellungsprozesses nachgeholt und nach einem Post über meine 6.000-er Berg- und Talfahrt gleich mal gelesen, was denn der Rest der Welt so macht.

Ja, doch da war kaum was zu finden, denn in der Zeitschiene, auf der die Güterzüge mit bewegender Schwerlast von einst rollten, kommen heute waggonweise Spots und Clips anDas Leben ist eine äußerst komplexe Verschwörungs-theorie. Wer auch immer sich das ausgedacht hat, will uns glauben machen, wir wären die einzigen, die in dem Durcheinander den Überblick verloren hätten. Alle anderen wissen nämlich Bescheid, die mich informieren über …

… die schnellste Methode, mit Bauschaum seinen Garten in ein Sondermülldepot zu verwandeln (Gestaltungsideen mit Bauschaum)

… einfache Wege, sich aus Baumarkt-Nägeln selbst ein Messer zu schmieden (wenn man gerade eine verlassene Töpferwerkstatt in der Garage hat

… die zwanzig dümmsten Arten, mit falsch gesicherter Ladung größtmöglichen Schaden auf der Autobahn anzurichten

… die Technik, wie man mit einer Motorsäge in nur einer Stunde einen Urwaldriesen zu Fall bringt

… alles, was man mit Kraftkleber zusammenleimen kann, ohne es je wieder auseinander zu bekommen

… die besten Methoden, um sich bei hohem Seegang am Strand lächerlich zu machen

… Traumhäuser mit Traumpools und Atombunker zum Schnäppchenpreis

… intelligente Katzen und Hunde

… Menschen, die sich mit simplen Nahrungsmitteln bewegungsunfähig gefressen haben (die es nebenbei auch günstig zu kaufen gibt)

Ja, darum nennt sich wohl diese Zeitschiene auch feed, immerhin das leuchtet mir ein, denn mein Hintern hat sich inzwischen platt gesessen. Die Chipstüte wäre leer, wenn sie da läge. Doch da ist nichts außer, ahh …

… so schmilzt man also im heimischen Brennofen Lava und schüttet sie über Autoglas! Am besten fremdes, denn das geht dabei kaputt. Hätte ich nicht gedacht, und …

… mittendrin im Feed entdecke ich dann doch tatsächlich einen Post von einem Menschen, den ich kenne, und der sich in Padua aufhält, und einen anderen, der eine Kalenderweisheit mit zwei Rechtschreibfehlern teilen möchte, von denen (Rechtschreibfehler) ich auch nach längerem Sinnieren nicht begreife, ob sie da absichtlich stehen.

Und bei all dem Grübeln über die Bilder, auf denen Autos mit Brücken kollidieren, Gesichter mit Steinfußböden und die Rechtschreibung mit der Realität, fällt mir der Spruch meines Freundes wieder ein: Geh doch mal zum Arzt!

Ich will hier raus! Echt jetzt