Meilen bis Frühstück

Es dauert auch nicht lange, bis die Pfadfindergruppe wieder aus dem Pueblo zurück ist. Das Dorffest verteilt sich auf die Höfe und Garagen der Bewohner, geschlossene Kreise. Bis zur Plaza Mayor sind die Jakobswegwanderer nicht gekommen. Mit einem Pärchen aus Mailand blieb ich für etwa eine halbe Stunde allein in der Herberge, dann ging der Trubel wieder los. Erst am Morgen fiel mir auf, wie sehr mein Stimmungsbarometer in den Abgrund gefallen war. Und auch zunächst noch blieb. Ich schlich mich nach dem Frühstück Tip: starte morgens, sobald du die gelben Pfeile sehen kannst.

Dann sehen dich die Autofahrer auch
durch den Ort, um dort in einem der nach der Fiesta noch offenen Cafés zu rauchen. Doch der Automat an der Wand war in der Nacht leergekauft worden. Eine leicht angetrunkene Frau kam direkt auf mich zu und fing ein Gespräch an, das keinen Sinn ergab. Sie hatte keine Ahnung, wo die gelben Pfeile für den Jakobsweg sind. Ich versuchte es nach Gefühl und als ich den Weg dann fand, spürte ich Schritte in meinem Nacken. Einer der Gäste aus unserer Herberge, ein junger Mann aus Alicante - oder war es Murcia? - trabte heran, in der Hand zwei Nordic-Walking-Stöcke. Ich grüßte, ging ein paar Schritte nebenher und redete über einfache Dinge, doch der Wanderer war zu konzentriert, um sich zu unterhalten. Ich wünschte einen Buen Camino und trödelte einen beachtlichen Abstand heraus. Dann sah ich mich nach alternativen Wegen um, fand aber keine. Zwei Stunden später war der Spuk vorbei. Ich fand mich in verbrannten Regionen auf dem Weg zu einem Dorf, in dem es angeblich Kaffee gab. Die Sorge, dort die Truppe geschlossen wieder zu finden, verflog, als ich den Aushang in der Tür der Bar sah: „Cerrado“, geschlossen.

Erst in Santa Marta de Tera war ich mir sicher, dass ich von der Gruppe an diesem Tag niemanden mehr treffen würde, denn ich hatte ihr Tagesziel erreicht, fühlte mich gut und konnte nach einem Kaffee in der dort geöffneten Bar gleich noch elf Kilometer Abstand gewinnen. In Santa Marta traf ich auch die beiden Italiener wieder. Lucia und Marino sah ich ein Stück meines Weges gehen, mochte die beiden auf Anhieb und tauschte Telefonnummern aus. Die beiden kannte ich aus Montamarta und wußte, dass sie vierzig Kilometer am Tag laufen. Sie wollten nach Rionegro, während mir Calzadilla de Tera für den Tag gut reichte. Der Weg dahin ein Traum entlang des Rio Tera, dessen klare Wasser zu einem Bad eingeladen hätten, wäre nicht das Wetter zu windig geworden. Am Abend fielen sogar ein paar Tropfen. Und in der Herberge von Calzadilla kam mir in den Sinn, dass ich den vielleicht trostlosesten Ort auf meiner gesamten Wanderung erreicht hatte. Eine Herberge ganz für mich allein, rundum ein Pueblo, in dem man nicht mal Kaffee trinken kann.