Die Auflösung

Manchmal habe ich das Gefühl, weg zu müssen. Irgendwohin, egal wo. Nur weg. In solchen Momenten setze ich mich ins Auto und fahre. Folge der Straße und dem ersten Impuls, wenn eine Kreuzung zu einer Entscheidung zwingt. Manchmal fürchtet man um das Fahrwerk, wenn ein Feldweg verlockender erscheint als der Asphalt. Meistens geht es gut. Straßen verbinden die wichtigsten Punkte auf dieser Erde. Menschen und Menschen. Manchmal fürchte ich, es ist genau dieser Umstand, der mich am Ende dieser Fahrten scheitern lässt. Menschen sind das eigentliche Übel auf diesem Planeten.

Und Misanthropen.

Adam Sternbergh hat sich so schön durch das zukünftige New York geschrieben (Spademan), dass man schon jetzt auf Reisen ganz verzichten möchte und sich elektronisch einsargen, wie es seine Antagonisten in der Zukunft tun - angeschlossen an eine Illusionsmaschine. Nennen wir es Fernsehen oder Internet oder virtuelle Realität, ganz gleich!

Dagegen rebellierte Douglas Adams mit aller Kraft. Er ist ja auch Vergangenheit. Irgendwas zwischen halluzinogen entgleist und teesüchtig schmiss man seinerzeit den Unwahrscheinlichkeitsgenerator an und entwickelte Szenarien, die den realen Bedrohungen der Welt diametral entgegen standen. Die Flucht nach vorn. Ins All der Phantasie. Den Adams wiederum hat Eoin Colfer weiter erzählt, was seinem Style erheblich nutzte. Meine Literaturberaterin Melli nennt Colfers Krimi "Plugged" (Der Tod ist ein bleibender Schaden) "Reacher 2.0" nach Lee Childs Veteranenkrimiheld Jack Reacher. Den Reacher mögen wir beide. Außer der Verfilmung mit "dem Zwerg in der Hauptrolle" (nicht meine Worte).

Lee Child ist eher hausbacken, wenn man so will, gehört der Generation derer an, die noch per Anhalter reisen und dabei Zahnbürsten mit sich führen (oder Handtücher gegen der Plapperkäfer von Traal). Eoin Colfer hingegen lässt seiner Phantasie freien Lauf und steckt seine Helden wahlweise in Bus, U-Bahn oder Luxuskarossen. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie sich der Vorname von Colfer wohl ausspricht und bin deshalb froh über das Interview des Krimicouch-Ablegers phantastik-couch. Andernfalls hätte ich auf Jeun getippt, aber Owen ist auch irgendwie maskuliner.

Eoin nämlich erdachte Arthemis Fowl. Hochintelligenter Ire - nun, wenn das mal nicht alle Vorurteile in einem Pivotjoch zerbricht. Iren glauben, Iren saufen, Iren kloppen sich. Und sie reden so, dass man nichts versteht. Arthemis Fowl war die Vorlage zu Arthis Namen, und weil Arthi ein Hund ist (in der wirklichen Welt), glaube ich auch an die Hochintelligenztheorie. Arthi passt unterm Knie durch. Und weil es ihn gibt, ist nun Eoin Colfers Krimi in meinem Regal und der seltsame neue Kriegsheld (nicht Arthemis) Colfers in Amerikas Kopfkino unterwegs, um böse Jungs zu jagen.

Parallel dazu sah ich mir "16 Bocks" an. Was die Zeitreise durch und durch rund macht. Wenn man einen Polizeikrimi mit allen bekannten Motiven virtuos so umgesetzt sehen will, dass ausnahmsweise mal alles stimmig und keine überflüssigen heroisierenden Details störend sind, kann Richard Wenks Drehbuch nur bewundern.

Zu Beginn des Streifens gibt Eddie Bunker Detective Mosley ein Rätsel auf, das er selbst von einem Mithäftling in U-Haft gehört hat. Das Rätsel bringt auf die Ausgangsfrage zurück. Wohin will man eigentlich im Leben? Es geht im Rätsel um eine Bushaltestelle und eine Mitfahrgelegenheit. Du fährst mit deinem Auto im Regen an einer Bushaltestelle vorbei. Dort warten drei Personen, eine alte Lady fast schon abgenippelt, dein bester Freund und die Frau deiner Träume. Dein Wagen ist ein Zweisitzer. Was, fragt Eddie Bunker, machst du? Ist ne grundsätzliche Frage.

Ist übrigens auch ein Zeitgleichnis. Irgendwie.

(Die Auflösung:
Gib die Schlüssel von deinem Wagen deinem besten Freund, lass ihn die alte Lady ins Krankenhaus fahren und bleib an der Bushaltestelle mit der Frau deiner Träume!)