SciFi-Suppe

Auf Seite 199, mitten in einem science-fiktionalen Luftkampf, den William Gibson in den Achtzigern geschrieben haben muss,, fand ich ein fast durchweg geschwärztes Protokoll. Aber nicht die NSA, sondern die 5 Minuten Terrine eines Süddeutschen Suppenkonzerns macht dort von sich reden.

Diese Art von Werbung gab es früher vor allem von Sparkassen. Hier in einem Taschenbuch von Heyne. Die Cyberspace-Stories von Gibson werden jedem, der sie liest, bekannt vorkommen, denn sie sind in der einen oder anderen Form im Kino wieder aufgetaucht. Jahrzehnte nach ihrem Entwurf auf Papier kann man zum Beispiel Johnny Mnemonic alias Keanu Reeves mit dem Speicherchip im Kopf kämpfen sehen, dessen Inhalt ein Kampfdelphin entziffern muss, um ihn der Welt via Piratensender zu übermitteln.

Große Literatur aus der Suppenküche der 80er Jahre, man meint, sie sei unter Droge entstanden. Vielleicht ist das so. Werbung findet sich heute kaum noch in der Literatur. Scheint nicht zu wirken, denn diejenigen, die lesen, anstatt ins Kino zu gehen - besser noch ins Heimkino - diejenigen gehören kaum zu irgendeiner Zielgruppe. Cyberspacer, Tütensuppen und tiefgefrorene Pizza, dem Agatha-Christie-Leser konnte man vielleicht noch ein Bankkonto aufschwätzen und einen Bausparvertrag den Lesern von Brecht und Dürrenmatt.

Das Merchandising heutiger Titel zielt eher darauf ab, die Leserwelten mit Haptischem zu vervollständigen. Besen und Muggelware für Harry Potter Fans und einen Originalabguss vom Stein von Rosette für diejenigen, die noch immer nicht an faulen Zauber glauben. Rubine an Ketten für Päpstine und wandernde Kräuterhuren.

Das Buch von William Gibson nun scheint eins von der Sorte zu sein, das vor allem gelesen worden ist. Im Gegensatz zu der kürzlich erstandenen zehnbändigen - naja, ich will nicht sagen: Pracht - ausgabe zur Archäologie, zeigt das Taschenbuch ehrliche Gebrauchsspuren. Einigen reich bebilderten Ausgaben von Reiseführern Toskana, Provence, Andalusien, Rom … haftet die Patina des ungebrauchten Goldlack-Porzellans an. Die ersten fünf Seiten nach dem Vorwort scheinen allenfalls besucht worden zu sein, danach dann Museumsstück zwischen Louvre und Ägyptens Pharaonen. Was wohl mit verstaubten ebooks passiert?

Nun, die wenigsten Bücher werden tatsächlich gelesen. Sie werden wenigstens gekauft. Noch nicht mal das können ebooks durchweg von sich behaupten. Cyberspace jedenfalls ist eine Entdeckung wie Stanislaw Lem seinerzeit - oder Kafka, auch wenn die Kombination jetzt manchem schräg erscheinen mag. In den Romanen gibt es sogar noch - wenngleich im All bzw. Kosmos - den guten, alten Kommunismus. Ein solider Gegner freiheitlichen Denkens mit dem Anspruch, den wahren Humanismus in der Ackerscholle gefunden zu haben.

Aber - Moment mal - woher wußte Gibson 1980 vom IT-Zeitalter? Und was, verdammt, ist eine 5-Minuten-Terrine?