wir 3

Wie ein Schuss krachten die Stöcke des Schlagzeugers auf den Rand der kleinen Trommel, und vom Lärm geweckt setzte die grosse Trommel mit einem sanften Klopfen ein, das Piano skalierte zum Rauschen eines Tamburins Terzen, Quinten und Quarten. Die Musik riss die Zuhörer aus der Ruhe und beförderte sie in den Rausch eines ekstatischen Laufes. Auf den zweiten Zählzeiten der Takte vergewisserte sich die Trompete mit unhörbar kurzen Stecknadeltönen des Rhythmus, bevor sie in einem Tempofenster der unterbrechenden Trommel zu einigen einsamen Solotönen ansetzte. Kaum zwei Takte, und die Rhythmusgruppe machte wieder zu, nun um einiges dichter, und das Piano organierte satte Basstöne.
»Us3«, sagte Corelli gelassen, während Vincent sich noch zu erinnern versuchte, woher er diese Musik kannte.
»Us3?«
»Jazz–Sampler«, plauderte Corelli, »das Stück, was du da hörst, nennt sich Cantaloop«. Seine Augen glitten über den Text einer Playboy-Reportage, »das ist, soweit ich weiss, eine Insel in der Karibik. Us3 nennt sich die Gruppe. Das sind junge Musiker. Sie kamen auf die Idee, die alten Records von Blue Note, einer renommierten Plattenfirma, neu aufzuarbeiten. In dem Stück da hörst du Herbie Hancock, wenn ich mich nicht irre.«
Vincent lauschte andächtig Corellis Vortrag. »Tatsächlich?«
»Als diese Platte auf den Markt kam, wussten die Radiosprecher noch nicht so recht, wie man Us3 ausspricht. Manche sagten U–S–Drei, die ganz abgedrehten DJ’s meinten, man müsse Juh–Äss–Three sagen. Das war wirklich lustig.«
»Und wie ist es richtig?«
»Us–Three natürlich, ⟩Wir Drei⟨.«
Corelli hörte eine Weile hin. »Das ist wirklich mal ein gelungener Versuch.«
»Du hast zu Hause ein ganz ansehnliches Jazzarchiv, stimmt’s?«
»Ein paar Platten habe ich schon.«
»Und du kennst dich gut aus?«
»Im Jazz kann man sich nicht auskennen, da kann man froh sein, wenn man sich einigermassen zurecht findet.«
»Und du findest dich zurecht.«
»Es geht so.«
»Was ich mich frage: warum du nicht Radiomoderator bist oder irgendsowas.«
»Ja«, sagte Corelli matt, »wieso?«
Wieder setzte für einen Moment der Rhythmus aus. Zwei Takte wurden nun von einer Buschtrommel bestritten. Gleichzeitig glitt die Trompete in technisch schier unmöglichen Phrasen durch alle irgendwie erreichbaren Tonräume, setzte den Zuhörer auf schroffe Klippen und improvisierte sich elegant durch die Tiefen, bis der abgesetzte Zuhörer oben den Halt verlor, kehrte zurück und riss ihn wieder mit sich.
»Hau ab!« sagte Corelli zu Vincent. Aber es war schon zu spät. Elisabeth hatte ihn gesehen. Nun kam sie zügig auf das Lokal zu. Corelli brachte sein Bier in Sicherheit.