Ein Geistesblitz

In letzter Zeit habe ich schon mal stechenden Kopfschmerz. Das fühlt sich in etwa so an, als wäre das Gehirn plötzlich gewachsen und nun zu groß für den Kopf. Allerdings passt diese Theorie nicht mit meinen sonstigen Erfahrungen zusammen. Mein Gehirn ist wohl eher zu kleiin als zu groß. Deshalb muss man eine zweite Variante in Betracht ziehen. Ich denke über Alkohol nach. Ich will nicht ketzerisch behaupten, dass Alkohol auch keine Lösung sei, aber es spricht einiges dafür, dass in diesem Falle der arabische Augenschatten doch mal ein Erklärungsansatz werden könnte.

Nehmen wir an, es gäbe ein Depot für Alkoholika im Körper. Dann wäre ein passender Ort dafür, den man auch quasi erfühlen kann, der Schädel. Dort konzentriert sich das Gift, und wenn man nachlässig damit umgeht, dann sinkt die Konzentration. Also die alkoholische im Blut. Voilà, Kopfweh ist die Folge. Weil spontaner Druckverlust. Die Hirnschranke und so. Kommunizierende Röhren. Was passiert, wenn man zu wenig trinkt? Ärzte warnen ja davor. Im Alter ganz besonders. Da wird zu wenig gesoffen. Zudem warnen die Ärzte allgemein auch vor dem Alter.

Man soll im Alter keine Kinder kriegen, den Blutdruck messen, das Gehirn nicht verrosten lassen, den Extremsport einschränken, Streß meiden, Vorsorge betreiben, viel Spazieren gehen, gut lüften und keine Kirmesschlägereien beginnen. Zumindest nicht volltrunken. Man soll auch nicht in der Vergangenheit leben. Große Pläne haben ja dann eh nicht mehr viel Sinn. Also auch die Zukunft. Man soll seine Zukunft ganz in der Gegenwart verbringen.

Meine eigenen Erfahrungswerte dazu sind noch spärlich, aber mir scheint das doch alles plausibel zu sein. Und es passt zum anfänglichen Verdacht. Weil ja auch Alkoholiker für gewöhnlich älter werden – in der selben Zeit wie/als sogenannte Gesunde. Alkoholiker sind krank, nicht schwach. Vor allem eins sollte ihnen und uns Sorgen machen: dass ein Glas Wein den Kopfschmerz nahezu genauso zuverlässig entspannt wie eine Tablette Aspirin.

Hinreichend geklärter Sachverhalt? Was man jedenfalls empirisch schon als junger Mensch beweisen kann, ist, dass die Vergangenheitsform des Alkohols ganz sicher Kopfschmerzen erzeugt. Gestern ge-trunken, heute Kater. Allerdings auch je nach Menge mehr oder weniger. Die berühmte Lederallergie. Aber all dies spielt hier ausnahmsweise keine Rolle, denn weder ist Alkohol momentan präsent, noch im~perfekt und ein Blick in den Kühlschrank beweist, dass es auch kein unmittelbares alkoholisches Futur geben wird. Futur II vielleicht, aber davon kriegen allenfalls Gymnasiasten Kopping. Kaum die fehlenden Gehirnzellen.

Tja, damit stehen wir wieder auf Anfang. Außerdem habe ich einen Krampf im Bein. Dem linken, was auch verwunderlich ist, da ich a) nicht im Auto sitze, b) nicht auf der Autobahn, und c) nicht in England. Ein Krampf im Bein ist ja doch eigentlich nur zu einem gut: Temposünder zu entlasten. Was mache ich jetzt dafür verantwortlich? Das Fehlen von Kif? Ein falsches Format der Zigarren vom letzten Wochenende? Tempo ist ja nun das letzte Problem, das ich habe. Bin ich burn-ge-outet?

Empirische Wissenschaften sind die schwersten. Ich werde alles durchprobieren müssen. Mal sehen, vielleicht hört es dann auf. Vielleicht hört auch irgendwann mal alles auf. Naja, und ich sehe schlecht, bin häufig müde und kann nachts nicht entspannen. Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren, und überhaupt frage ich mich manchmal, wozu denn auch. Ich habe keine Lust, Morgen früh um fünf Uhr aufzustehen, habe aber auch keine Lust, im Bett zu bleiben, bis der Hund mich weckt, schon gar nicht mit einem Häufchen auf dem Teppich. Ist das das Alter? Und wenn ja, wessen? Seins?

Und Morgen ist ja Zukunft. Dann sind diese Gedanken hier bereits Vergangenheit.

Haben Sie schon einmal Portnoys Beschwerden gelesen, fragt der Doktor. Ich meine den inneren Self Med, um nicht unerwähnt zu lassen, dass ich schon mal ausgedehnte Selbstgespräche führe. Zum Beispiel mit dem Hund. Denn den kümmert ohnehin kaum, was ich plappere. Es sei denn Wurst. Oder Keks. Der Hund ist wie ein Verleger, dem man ein Manuskript ohne Vampire schickt. Ganz ehrlich unzufrieden. Und zack, da ist sie wieder, die hinterhältige Kopfschmerzattacke.

Aber vielleicht war das ja auch nur ein Geistesblitz.