Respekt für klare Worte?

... hörte ich heute im Radio eine Frauenstimme zollen. Eine der Stimmen, die für gewöhnlich die Tagespredigt einer evangelischen Pastorin begleiten. Respekt für klare Worte einer Außenministerin, die sich nicht hinter Floskeln verstecke, sondern die Dinge beim Namen nenne: "Wir sind heute morgen in einer anderen Welt aufgewacht". Gemeint war Donnerstag morgen, und "Wir" hatte ich bis heute als Pluralis Majestatis abgeheftet in dem Bemühen, dieses traurige Eingeständnis der Naivität eines deutschen Amts- und Würdenträgers geflissentlich zu übersehen wie Hamann Loriots Nudel, die ganz schamlos während der Liebeserklärung an seiner Oberlippe klebt.

Doch jetzt quält mich dieses "Wir" in dem hochzitierten Satz, da ihn sich auch die Pastorinnen in den Samtagsreden zu eigen machen, denn es könnte jemand auf den Gedanken kommen, dass auch ich und andere damit vereinnahmt werden sollen, die Bevölkerung eben, oder gewöhnlich schlecht informierte Kreise. Aber ich? Habe nie in der selben Welt gepennt wie die Sprecherin, die am Donnerstag morgen in der Realität aufgewacht zu sein vorgibt.

Und nach allem, was man so aus gewöhnlich gut informierten Kreisen hört (Altkanzler zum Beispiel), frage ich mich, ob noch mehr dieses Personenkreises (endlich) in der Realität augewacht ist, oder auch dies nur diffuse Wortwolken sind und bleiben, mit denen man "einen Krieg auch herbeireden kann", wenn man morgens schon vor dem Kaffee von einem Reportermikro überrascht wird. Immerhin war der aktuelle Chef-Kanzler erstaunlich offen, als er zugab, dass Putin für die Annexion der Ukraine einen hohen Preis zu zahlen habe.

Ist jetzt allerdings auch wieder Geheimsache, wie hoch der Preis war, den Putin gezahlt hat, und wem. "Marktübliche Provisionen" sind seit den Maskendeals ein Teil der bedingungslosen Aufklärung von Sachverhalten, die für gewöhnlich vom einfachen Mann auf der Straße nicht in letzter Konsequenz verstanden werden, was dann häufig auch zu drastischen Maßnahmen zwingt wie zum Beispiel Antidesinformationskampagnen im sozialen Netz. Also das mal außen vor:

Nehmen wir billigend an, der neue Kanlzer rede, wenn er von Preisen spricht für die Ukraine, nicht von Schmiergeldern oder -posten. Nur so für den Moment, na, da konnte ja bei allem Respekt für unsere Nachrichtendienste angesichts des letzten Vierteljahrhunderts Ostpolitik niemand ahnen, dass so etwas passieren würde.

Es sei denn, man hätte mal in die Zeitung geguckt