Goldwater Rule

Die Verrückten tummeln sich in der Politik, scheint es dem Laien. Nicht zuletzt titeln dies auch gern seriöse Zeitungen, wenn es um die jüngsten Ereignisse in der Ukraine geht. Ein wichtiges Infomagazin wirft jetzt das Schlagwort "Goldwater Rule" ins Rennen und beseitigt damit gleich zwei Zweifel. Erstens ist der vermeindliche Irrsinn tatsächlich Kalkül, und zweitens hilft er auch noch, Probleme lösen.

Emm. Ja.

Wenn nämlich jemand den dritten Weltkrieg herbei trötet, dann will er nur den Gegner an den Verhandlungstisch zwingen. Diese unendlich nützliche Strategie sei bereits im Koreakrieg angewandt worden, und der glänzende Diplomat Trump selbst bedienete sich auch gerne solcher Taktiken.

Jetzt habe ich den Artikel vielleicht zu oberflächlich überflogen, denn Korea, Kuba, Trump haben sich nicht unbedingt als die Höhepunkte der diplomatischen Gewaltvermeidung in meine Erinnerung eingebrannt, doch sei es, wie es wolle, der Kern der Aussage ist ja ein anderer. Nämlich, dass aktuell der Chef im Kreml im Grunde nur das beste will, wenn er mit den Atomsäbeln rasselt. Und der ehemalige Chef (also, der durch Wahlbetrug ums Amt gebrachte legitime) der Amerikaner del Norte will das schließlich auch, wenn er ankündigt, was er täte, wenn er seinen Säbel noch hätte.

Und dank dieses Artikels, den ich gerade lese, können wir beruhigt sein: da wird schon nichts passieren. Die beiden wollen doch nur spielen - sagte die lustige Hundeführerin, kurz bevor ... aber das ist ja nicht das Thema. (Nebenbei ist der Atomkrieg ohnehin überfällig, denn wohin sonst mit all dem nuklearen Rüstungsmaterial?)

Goldwater Rule - habe ich dann nachgeguckt, ist was ganz anderes als das angebliche Verbot zu psychologischer Fernaufklärung in Sachen Geisteszustand eines polternden Potentaten. Auch das nur so ein Lapsus, wie er der Presse gern unterläuft.

Wieso sollte der Mann im Kreml verrückt sein, wenn er als Befreier in ein fremdes Land zieht, um seine "Werte" am Hindukusch oder im Donbass zu verteidigen? Warum, wenn er in einem angegriffenen Land angebliche Massenvernichtungswaffen aufspüren muss? Warum, wenn er dort korrupte Diktatoren aus dem Amt hebeln muss, um sie gegen andere zu ersetzen? Meiner Gute Mister Popolski, der hort da ein Echo aus der Ver-ver-ver-vergangenheit. Als nächstes kommt dann wohl der Sender Gleiwitz und die Volksabstimmung.

Um es mal mit einfachen Worten zu sagen: Putin ist nicht verrückt. Er ist einfallslos, denn er kopiert in seiner Expansionspropaganda die hinlänglich bekannten Parolen all derer, die vor ihm in die Fußstapfen der Imperialisten traten. Leider durchweg ganz unauffällige Klassenfeinde. Und leider durchweg Gesinnungsfreunde - zumindest was die Gewalt- und Rechtfertigungsfrage angeht.

Sehen wir Putin mal als einen Unfall, der auch in Washington passieren könnte, möglicherweise sogar schon unter anderem Namen vorgefallen ist, oder in Berlin, Brüssel, Pjöngjang, und schon brauchen wir keine Goldwasserregeln mehr für die Politcouch. In meinen Alpträumen sehe ich Putin und Bush Schulter an Schulter rund ums Schwarze Meer nach verschollenen Bio- und Massenvernichtungswaffen suchen, während dem Rest der Welt munter die Atomraketen um die Ohren pfeifen.

Es ist doch DER KRIEG, es ist DIE GEWALT, die so unendlich dumm und irre ist, dass sie die Öffentlichkeit in allen Machtzentralen aufspüren könnte. Und nicht nur dort - wäre sie leicht zu finden. Leider trifft diese Erkenntnis immer die, deren Stimme kaum jemand hört. KRIEG ist das Übel. Und den haben wir seit hundert Jahren in jeder Sekunde irgendwo - wie wir auch zu jeder verdammten Tageszeit irgendwo Mitternacht haben.