ohne oder mit Fallschirm

Mir ist gerade eingefallen, dass ich vor langer Zeit mal einige Absprünge gemacht habe. Fallschirmspringen ist philosophisch. Man lernt sich selbst kennen, weil man dann die Zeit dazu hat. Mir fiel auf, dass die Angst geringer ist, in taussend Metern Höhe auf dem Trittbrett einer Cessna im Wind zu stehen und auf den richtigen Zeitpunkt zu warten, als umgekehrt auf einem Dreimeterbrett vor den Augen des halben Schwimmbads darauf zu warten, dass der richtige Zeitpunkt kommt. Vielleicht liegt es daran, dass der richtige Zeitpunkt je nach Sichtweise der ist, an dem das Wasser dir den Hintern versohlt, bis er rotglänzend wird. Vielleicht liegt es auch daran, dass man in der offenen Tür der Cessna einfach mehr Zeit hat. Zwischen Absprung und Landung liegen Minuten, im Schwimmbad nur Sekunden. Jetzt gibt es welche, die das genau umgekehrt sehen. Die kommen zitternd in die Maschine zurück und ziehen nie wieder einen Fallschirm an, wenn es an der Tür zu lange dauert. Sie gehen vielleicht auch nicht auf das Dreimeterbrett. In zehn Metern Höhe wird es noch schlimmer. Und wenn man dann an einer Bergflanke hängt (beim Klettern im Fels zum Beispiel), dann dürfen sie nicht nach unten sehen. Der Zeitfaktor ist in diesem Fall eine gute Knotentechnik, im anderen Fall ein gut gepackter Schirm, im Schwimmbad ein Glücksspiel. An der Uni lernt man richtig springen (wenn man die passenden Kurse besucht). Da ist von Körperspannung die Rede. Über die Zeit redet niemand, denn da steht eine Schlange hinter dir auf der Leiter, die in einer Viertelstunde vom Turm hüpfen will. In der Cessna bist du allein. Du hörst nicht mal, was drinnen passiert. Du kriegst ein Handzeichen und springst. Und dann kommt die Zeit und bläst dir die Backen auf. Es ist herrlich. Und wird noch besser, wenn tatsächlich der Schirm aufgeht. Und wenn du die Zeit hast, dann kannst du sogar noch einen zweiten Schirm benutzen, falls der erste versagt. Wenn dir die Zeit allerdings ausgeht, dann geht dir auch der Weg irgendwann aus. Es ist eine Frage der inneren Ruhe. Wenn du Zeit hast, dann kriegst du davon so viel, dass Sekunden zu Stunden werden. Hast du sie nicht, dann werden Minuten zu Sekunden. Die Zeit ist flexibel. Das Schöne daran ist, dass es nur noch von dir selbst abhängt - wenn der Pilot alles richtig macht, das Schwimmbad genug Wasser hat und am Berg die Seile halten, was sie versprechen. Viele haben das Vertrauen nicht und daher auch nicht die Zeit, es zu genießen. Manche stürzen schon ab, wenn sie nur daran denken. Man stürzt sich vielleicht in die Arbeit und schlägt in der harten Realität auf. Das kann man dreimal am Tag haben. Glücklicherweise bleibt einem die Zeit, die man sich nimmt, ein Leben lang erhalten. Da kann man dann planen, vielleicht noch mal aus dem Flieger zu springen. Oder irgendwas anderes zu tun. Zum Beispiel, sich mit viel Zeit in die Arbeit zu stürzen. Ist eine Sache der inneren Einstellung ...