Neo-Humorlosigkeit

Ich mochte ja das Hong Kong Police Department von William Marshall und die schrägen Typen, die auf dem fernöstlichen Affenfelsen herumsprangen. Kann mich an einen Roman erinnern, in dem noch ein Überbleibsel der japanischen WW II-Invasionsstreitkräfte in einem unterirdischen Bunker ausharrte und einer der Polizisten trainierte ewig für einen Dauerlauf, um einen Täter zu fassen, der sich nur zu Fuß bewegte.

Da steckte so viel Liebe im Humor, man wollte schon darum in Hong-Kong leben, um den verrücktesten Detectives der Welt bei der Arbeit zusehen zu können. Garküchen auf der Straße, die Mischung der Kulturen abgebildet in einem halben Dutzend skurriler Besatzer eines Raumschiffs im chinesischen Meer.

Wenn man so auf die aktuellen Titel schaut, sticht sofort eins ins Auge: die Humorlosigkeit, mit der aktuell politische Themen geschrieben werden. Warum ist das so? Scheint, als gäbe es kaum eine andere Möglichkeit, der Gefahr zu entkommen, dass Kriminalität verharmlost klingt, wenn man die Ernstkeule aus Hand und Feder legt.

Der politisch interessierte Leser ist stets auch politisch korrekt, denn auch ihm droht Gefahr, in seinem Informationsbedürfnis und dem Ergebnis nicht ernst genommen zu werden, wenn er dem Ernst der Lage nicht mit Ernst im Leseverhalten begegnet. Man fällt leicht ins andere Extrem und hinkt in einem gefährlichen Voyeurismus den realen Gewaltexzessen hinterher im Bestreben, die grauenhafte Wirklichkeit möglichst ein- oder zu überholen.

Gelingen kann das freilich nicht, denn umgekehrt scheint sich auch die Realität mittlerweile an der Bohnenstange der Fiktion zu neuen Extremleistungen aufzurecken. Kaum hat jemand ein neues Greuel erfunden, ist es schon übersteigert in die Tat umgesetzt. Kann da Realismus überhaupt noch punkten?

Auffällt ein zweites: dass nämlich selten so dogmatisch über Inhalte und Darstellung RUND UM das Geschriebene diskutiert worden ist; und dass somit auch ganz deutlich zwischen Gut und Böse und Richtig und Falsch und die Positionierung der Geschichten und ihrer Autoren unterschieden wird.

Die Fiktion wird nicht mehr als Fiktion und somit schrankenfrei empfunden, sie gilt als Verlängerung des politischen und sozialen Journalismus. Themen sind entweder vollkommen banal, historisch entrückt oder hochaktuell. Der Japaner in einem Bunker der Kronkolonie passt da natürlich nicht rein.

Geben wir uns in dieser Hinsicht, frage ich mich, nicht wieder einer Illusion hin wie der, dass man mit politisch korrekten Worten nur politisch korrektes Denken ausdrückten kann? Oder ist diese Verlängerung des politischen Journalismus nicht mehr als eine Prothese für spekulative Meinungsäußerung nach gebilligtem Mainstream? Das kanalisierte Denken in der Phantasie?

Ich habe das Gefühl, ein wenig mehr Humor würde auch die Einschränkung des Denkens und Handelns auf das bipolare Gut-Böse-Modell aufbrechen helfen und so vielleicht Perspektiven aufzeigen, wo zur Zeit doch eher biedere, solide recherchierte Perspektivlosigkeit den Wissensstand von Wikipedia und Galileo-TV wiederspiegelt.

Wenn ich so auf meine eigenen Leseerfahrungen zurück blicke, scheint es mir, als sei jede Phase eines Streams im Krimi mit einer entsprechenden Verknöcherung in Humorlosigkeit zu Ende gegangen: der Soziokrimi, der Frauenkrimi, der englische Landhauskrimi, ... und anschließend mit neuem Humor wieder auferstanden. Bleibt zu hoffen, dass das auch für den Politkrimi zutrifft.