die natürliche Ordnung der Dinge

Ordnung muss sein. So stöhnen Eltern beim Blick ins Kinderzimmer. Steuerfachanwälte beim Blick in die Akten. Der Friedhofsgärtner bei der Vermessung der Grundstücksgrenzen. So schreiben es Lehrer in roter Tinte an den Rand der Mathematikarbeit. Das denkt sich Friedel, wenn er mit der Polaroid Falschparker überführt. Der Hausmeister, wenn er den Kindern verbietet, auf den Mülltonnen zu sitzen. Wo keine Ordnung ist, herrscht Chaos und Anarchie. Sagt man.

Der Urknall hat vor rund 13 Mrd Jahren das Nichts in die chaotische Ursuppe überführt, danach kehrte dann allmählich Ordnung ein. Möglicherweise waren schon die Saurier daran beteiligt. Sicher auch die CSU. Die Anarchie war vorher, denn die Saurier kannten weder Parlamente noch Institutionen, und mit der Steuermoral der Echsen muss es auch nicht weit her gewesen sein. Im Devon also liegt das Chaos begraben.

Einer der Hauptsätze der Thermodynamik (sozusagen das kosmische Grundgesetz seit dem großen Knall) nennt uns das Ziel allen Strebens der Natur seither: Unordnung. Hoppla. Wie kann das? Jedes sich selbst überlassene physikalische System, sagt der Hauptsatz, strebt den Zustand größtmöglicher Entropie (landläufig für Unordnung) an. Wie konnte sich dann überhaupt ohne unser Zutun Ordnung entwickeln?

Die Antwort ist: es gibt sie nicht und gab sie nie. Ordnung ist ein Konstrukt in unseren Köpfen. Sie soll uns das Denken vereinfachen. Ordnung ist demzufolge Vereinfachung mentaler Strukturen. Man braucht sich nur einmal den Rentenbescheid anzusehen oder die Rechnung der Telekom, eine 20-sprachige Betriebsanleitung für Elektrogeräte unbekannter Funktion (Rauchmelder) oder den Beipackzettel eines komplexen Medikaments (Heftpflaster), um zu verstehen, was Vereinfachung nun eigentlich will.

Ordnen. Um der Ordnung willen.

Der Provider rechnet den Dezember ab, eine Gutschrift für Mobilfunkleistungen zum gesplitteten Grundbetrag anteilig für den Zeitraum zwischen Bereitstellung der Leistung und Jahresende, dazu die Bonusleistungen, abgezogen vorauszahlbare Grundgebühren für Januar, einmalige Leistungen und ... vergißt zu erwähnen, dass der abgerechnete Vertrag noch nicht zustande kam, weil die technische Infrastruktur noch nicht vorhanden.

Daher konnte der Kunde auch nicht über die Bereitstellung informiert werden, denn es fehlte wie erwähnt, der Informationskanal, da dieser Dienst ja Gegenstand der Abrehnung erst ist. Oder wie? Beim Wechsel der SIM-Karte kommt dann eine SMS-Flut an, die den jeweiligen Stand der Einrichtung dokumentiert - rückwirkend für sechs Wochen. Vor vier Wochen hätte ich also diese Mobilfunkkarte nutzen können. Hätte ich nur davon gewußt.

Unter den Nachrichten auch munter gemischte Hinweise, dass andere Leistungen von der Bank nicht abgebucht werden konnten. In dieser Zeit. Man hätte die Mobilnummer verifizieren müssen, um das Banking zu nutzen, aber die Nummer stand ja nicht, weil die Rechnung nicht ... ehmm.

Ein ganz anderer Fall. Man ist rentenversichert, wenn man Pflegedienste leistet. Daher werden Angaben zu häuslichen Pflegeleistungen notwendig. Diese wirken sich dann vermutlich auf die zweite Nachkommastelle im Rentenbescheid aus, erfolgen sie aber nicht, wird sich der Nichtinanspruchnehmende vermutlich strafbar machen - oder er läuft Gefahr, unversichert zu handeln, wenn er sich selbst am Heftpflaster verletzt.

Die ungeheure Wut des Menschen, Unsinn zu organisieren, schlägt sich saisonal vor allem am Jahresanfang auf die Psyche nieder, weil da auch das Wetter am schlechtesten ist - also eine der Naturgewalten, die wir noch nicht gesetzlich geregelt haben. Und natürlich auch deshalb, weil spätestens im Februar das Bankkonto leer und unsere organisatorische Kraft mit Beiträgen, Meldungen, Erklärungen, Abbuchungen, Prüfungen erschöpft ist.

Die VG-Wort hat ihre Abrechnungsmodalitäten geändert. Aufgrund eines höchstrichterlichen Urteils. Man kann allerdings die alten Modalitäten per Verzichtserklärung rückwirkend anerkennen. Anonym und für den Einzelvertrag. Auf diese Weise beginnt ein Abrechnungsmarathon, der möglicherweise noch bis zur Jahresmitte andauern wird. Und entsprechende Kosten verursacht. Aber dann ... wird endlich Ordnung herrschen.

Irgendwann, irgendwo. Wenn nicht der Friedhofsgärtner Einwände hat.