Mittagsbier

Es ist heiß in Deutschland. In einem der Nachbarorte werden Baumstämme geschmissen: Highlander Games. Am Grill die halbe Sau. Ein typischer Samstag am Land. Man tüddelt mit seinem Bike zum Bierzelt und kauft sich Marken. Die anderen machen das gleiche.

Außer natürlich denen, die zu einem anderen Clan gehören. Wir nennen ihn den Kärcher-Clan. Diese haben besseres zu tun. Zum Beispiel auszumessen, wie weit man sich an eine Grundstücksgrenze von einem Nachbarn herantasten kann, auf dessen Anwesen man Hausverbot hat, um Heckenpenner über den Zaun zu rufen. Und das Schachrätsel zu lösen, wie man sich zwischen den durch Näherungsverbote blockierten Zonen einer Ortschaft zu einem potentiell neuen Feind vorlavieren kann, um ein neueres Näherungsverbot zu erreichen oder umgehen. Nachmessen, welche Bauvorschriften wer nicht einhält. Parksünder notieren. Die üblichen Spiele eben, die man so spielt, wenn man die Zeit dazu hat.

Nachts sind sie alle im Bett. Da gibt es eine Zeit zwischen eins und drei, in der selbst der frühe Vogel Ruhe gibt, Augen, Mund und Gerichtsakten geschlossen hält. In der Aufsitzmäher, Kärcher, Fräsen, Schneeräumer und Winkelschleifer in der Garage kühlen. In der die Teufel von ihren täglichen Ausritten genesen und sich gegenseitig ins Ohr flüstern, was sie alles schon geschaffen haben und noch schaffen werden. In der Justitia ihr Schicksal beweint, Ohren zu haben.

In so einer Nacht ist der Friede spürbar wie ein heißer Block gelierter Luft am Père Lachaise. Ruhe. Man möchte sich am liebsten mit einem Espresso in den Garten setzen, den Vögeln nicht zuhören, den Wind nicht spüren, weder Hitze noch Kälte genießen, kein Telefon, kein Internet, keinen Fernsehapparat bedienen. Mit einem Wort: tot sein. Und sei es nur für diese zwei Stunden. Aber bei vollstem Bewußtsein, versteht sich. Nichts genießen.

Sylvain Tesson, der in Sibirien in seinen Ofen starrt und -ja- nichts dabei denkt. Das Paradies. Ich empfehle, damit mittags anzufangen. Am besten flächendeckend, aber das hat man ja nicht zu bestimmen. Man schnappt sich eine Biermarke und, sagen wir Harry Rowohlts Schluckspechte oder Tom Wolfes Pranksters und schaut in Ruhe zu, wie der Schotte den Baumstamm wirft. Ein Traum. Etwas geistlos, aber gut. Geistlos aber sinnvoll.

Leider ist jetzt schon wieder Sonntag. Und die Teufel gehen in die Kirche, um zu beichten, was sie den Nachbarn antun werden, wenn diese nicht endlich aufhören, ihnen nichts anzutun. Oder sie machen sich im Internet schlau, was noch geht, wenn man es nur richtiger angeht. Das Unglück kommt in Wellen. Und es ist ein Ozean. Jetzt stellt sich die Frage, wer das so eingerichtet hat. Und warum.

Das menschliche Dasein, wie überhaupt die Biologie, scheint ein ewiger Kampf zu sein. Die Auseinandersetzung an sich ist nicht zu stoppen, allein die Regeln werden seit Anbeginn der Menschheit (respektive Evolution) modifiziert. Man hat den Eindruck, alles das, was lebt und sich bewegt, tut dies nur einem Zweck zuliebe: den idealen Krieg zu inszenieren. Wurm gegen Vogel, Vogel gegen Katze, Katze gegen Auto. Auto gegen Baum, Mann gegen Mann.

Man muss sich nur von der Illusion verabschieden können, dass in diesem chaotischen Megagemetzel der Mensch im Mittelpunkt steht. Das gelingt übrigens auf den Schlachtfeldern Belgiens ganz gut. Oder wenn man einem Jugendlichen beim Daddeln über die Schulter guckt. Die Dinge anders herum zu betrachten. Nicht wir inszenieren das Gemetzel, sondern das Gemetzel uns. Wir sind die Abkömmlinge eines Stamms von Amöben mit keiner anderen Qualifikation als der, effizienter zu terrorisieren als der Rest.

Ein kurzer Zwischenstopp mit dem Pfandgut in der Hand und der Frage im Kopf, was transportiere ich eigentlich, wenn ich einen Kasten Wasser kaufen fahre? Getränke nach Hause oder Hohlräume ins Geschäft? Naja, jedenfalls ein Bedürfnis nach Wasser, und genauso transportiert der Baum seine Leere an Urin beim Pinkeln in den Hund. Und die Evolution Unfrieden in das tote Universum. Friede ist Tod und der Krieg der Vater aller Dinge. So war es, so ist es, und das Bier in der Sonne ändert nichts daran.