mein persönliches Marslogbuch

SOL 1 Der Termin bei DLR-ESA war ein voller Erfolg. Ich konnte das :envihab besichtigen. Eine besondere Ehre, denn normalerweise lassen sie dort nur Gruppen von mindestens 15 Personen rein. Und das auch nur, wenn gerade kein Raumfahrtbetrieb ist. Ich rede vom direct return der ESA-Astronauten, die von der ISS zurück kehren und hier auschecken müssen. Außerdem gibt es medizinische Programme, die sehr aufwändig sind und teilweise unter Abschluss aller Außeneinflüsse stattfinden. Für manche Experimente wird die CO2-Konzentration in der Atmosphäre herauf oder herunter gefahren, für andere das Sonnenlicht ausgesperrt. Man kann den Druck absenken oder keimfreie Umgebungen simulieren. Das alles lässt keinen dauerhaften Besucherstrom zu.

Die Idee von meiner Raumfahrtpille ist jetzt in allen Konsequenzen durchdacht und gibt mir Zuversicht: man kann die Story schreiben. Juhu. Und ach: man wird verrückt dabei. Es ist eine der Nebenwirkungen, die ich mir seit langer Zeit vorbehalten habe, ernst zu nehmen. An den Konsequenzen kommt man nicht vorbei. Wer in Gedanken einen simulierten Raumflug simuliert, wird sicher bald selbst abfliegen (Minus mal Minus gibt Plus). Um auf der Erde zu bleiben, habe ich mir Andy Weirs Marsianer besorgt und staune über die Unbefangenheit, mit der der Bursche seine wissenschaftlichen Theorien ausbreitet. Jetzt im Kino - sagt der Button. Dabei wissen wir das ja alles schon. Negativzeit in der Literatur hilft beim Qualitätsmanagement.

Als nächstes die Realisierung. Man kann getrost von einer Expedition ins Ungewisse sprechen. Oder um im Bild zu bleiben: einer Mission. Erste Erkenntnis nach einer Arbeitswoche im All: man kann nachts kaum noch schlafen. Wäre ich Mark Watney im Marshabitat, ich hätte wahrscheinlich einen Hydrazinkocher für Kartoffelschnaps entworfen, statt eine Plutoniumheizung für den Ersatzrover. Und den Urin von Sirius 4 sollte er auch besser direkt auf die Kartoffeln gießen, als ihn der Aufbreitung zuzuführen. Aber das nur am Rande. Kleingärtnerlatein auf Klugscheißerniveau.

Gutes Buch insgesamt, Übersetzung Heyne