Béjar

Ich bin in Kastilien. Die Extremadura endete abrupt hinter einem römischen Meilenstein, und schon war ich in Puerto de Béjar am Pass. Da oben lief mir ein Mann über den Weg, der sich nach Herkunft, Ziel und Wetter erkundigte und mir empfahl, nach La Calzada zu gehen. Der nächste, der dies tat, war Fernando, der in Puerto de Béjar die Herberge bewacht. Er schenkte mir einen Kaffee ein und erzählte von der Zeit, als die Bahnlinie noch in Betrieb war. Dort hätte man einige Filme gedreht und Holz abtransportiert, das aus dem Sägewerk stammte. Beides seit Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb. Von hier aus ginge es nur noch bergab, einige Meilensteine säumten den Weg und eine alte Steinbrücke, von der es heißt, sie sei römisch. Es tut gut, mal zu sitzen und zu quasseln, auch wenn es nichts substantielles ist.

Fernando vor der Herberge von Puerto de BéjarNicht alle der Informationen, die ich so sammle, erweisen sich als richtig, denn die Brücke hat Spitzbögen, und die Strecke geht nur zur Hälfte bergab, danach dann stramm den Berg hinauf in ein Dörflein, in dem es nicht einmal ein Lädchen gibt, dafür allerdings die versprochene Herberge. Highlight des Spaziergangs ist der Bach unter der Brücke auf halbem Weg. Dort könnte man auch gut den halben Tag verschlafen. Auf der Straße vor dem einzigen Café in La Calzada de Béjar liegen zwei Hunde und versperren den Weg, doch da bewegt sich ohnehin kein Verkehr. Die Post steht auf der anderen Seite, gut erkennbar an einer Glocke und Turmuhr im Obergeschoss, dort sitzen Kinder im Schatten und amüsieren sich mit ihren Handys. Man hat den Eindruck, dass auf dieser Seite der Straße der Empfang gleich stoppt, wenn drüben gelacht wird. Das Netz scheint schwach zu sein. Irgendwann trifft eine Deutsche ein, die den Camino geht. Argwöhnisch fragt sie mich, ob man hier essen könne. Dann plant sie, weiter zu gehen, denn hier „gibt es ja gar nichts.“

Ich habe noch einen Spaziergang nach Béjar drangehängt. Ohne Gepäck geht es sich sehr schön. Außerdem ist da diese aufgegebene Bahnlinie, die Via Verde, die ich bereits aus Hervás und Baños kenne. Sie verläuft am Pass und Fernandos Herberge vorbei nach Béjar, unterquert dort die Stadt und schlingt sich um den nächsten Felssockel hier am Ort vorbei. Manuela, die Wirtin, kennt die Strecke noch aus den Zeiten, wo sie in Betrieb war. Es sei sehr viel komfortabler und sicherer gewesen, mit der Bahn nach Sevilla zu fahren als mit dem Autobus. Das glaube ich aufs Wort. Später dann hätten einzelne die Strecke noch mit der Draisine befahren. Man konnte dort auch gefahrlos gehen, denn die Züge seien so selten verkehrt, dass man ihnen nicht begegnete. Zu dieser Zeit gab es in Béjar eine starke Textilindustrie. Ich konnte heute sehen, wie sich die Zeiten geändert haben. Die Industrie ist tot.

Béjar liegt auf einem Felssporn in einer Schlucht. Die Autovía nimmt vom Pass her Anlauf und überquert die Schlucht auf einer imposanten Brücke mit starker Steigung. Lkws haben mächtig zu tun, um auf den jenseitigen Bergrücken zu kommen. Dort geht es dann weiter in Richtung Norden. Wer nach Béjar will, zweigt oben ab und fährt dann malerisch fatale Serpentinen hinab in die einst mondäne Stadt. Wenn man von der Via Verde aus zu Fuß gelaufen kommt, nähert man sich der Stadt von unten her entlang des Rio Cuerpo del Hombre, was nach meiner Übersetzung so viel heißen mag wie Körper des Menschen - Fluss. Der Fluss hat einmal die Textilbranche am Laufen gehalten. So sind die einstigen Produktionsstätten im Tal neben der Eisenbahnlinie angesiedelt. Will man hinter die mittelalterlichen Festungsmauern zu den Palästen und in die Innenstadt nebst Judería, muss man sich auf schmalen Pfaden den Felssporn hinauf arbeiten.

Zurück in La Calzada sitze ich auf einen Kaffee mit Manuela im Innenhof ihrer Bar, die nach ihrer Meinung kaum die Mühe lohnt, und genieße den feinen Sprühregen, den sie im Hof installiert hat. Draußen vor der Post trainieren die Damen des Dorfes Gymnastikübungen, die an Rehasport erinnern. Sonst ist der Ort ausgestorben. Wie sollte sich jemand in die Bar verirren? Sie essen alle zuhause. Kaffee gibt es dort auch. Und arbeiten müssen sie ohnehin auswärts. Der Ort ist tatsächlich verlassen, aber wie wir uns gegenseitig versichern - und ich hoffe, es stimmt - wird alles besser werden. Irgendwann. Die kleine Bar ist jedenfalls neben der Herberge das absolute Highlight des kleinen Dorfes. Doch wenn ich mir das Streckenbuch anschaue, das ich aus Monestério mitgenommen habe, scheint sich die Lage nicht ändern zu wollen. Bis Salamanca erscheinen darin hauptsächlich Orte, die der Autor etwa so umschreibt: „Kleines Dorf mit einem netten Kirchenportal, das wir in Richtung … verlassen.“ Man argwöhnt auch allmählich, ob die Entfernungsangaben stimmen. Vielleicht haben die Autoren hin und wieder ein Taxi genommen.