Mut zur Lücke

Wenn ich schreibe, warum ich nicht schreibe, lesen das 1.000 Leser. Dreisatz: wie viele Leser läsen es, wenn ich gar nicht erst schriebe? Millionen. Über den Daumen 300 Millionen, die Übersetzungen nicht gerechnet. Ein ungeheurer Anreiz für so viele Menschen, all die anderen zu erreichen, die nichts lesen wollen.

Ich begegne in letzter Zeit nur noch Schriftstellern. Ich fahre irgendwo hin und treffe dort einen, ich sitze irgendwo und einer kommt vorbei, ich erwähne einen Preis oder Verlag, eine Buchhandlung, ein Schriftsteller kehrt als Echo zurück. Ich fühle mich wie dieser Ofenhändler auf dem Trödelmarkt von Hillesheim (Kriminalhaus!!), der seine liebevoll restaurierten Verkaufsstücke nur ungern hergibt, aber nach eigener Auskunft von jedem Markt mit einem Anhänger voll neuer alter Schätzchen in seine Werkstatt zurück kehrt. Hunderte von Öfen.

In Marburg erfuhr ich ein paar Dinge über dystopische Fantasy, ein wohl mindestens gleichauf schwieriges Terrain wie das der Belletristen und Kriminalromanciers. Nur stelle ich mir vor, dass die Strukturen im Verlagswesen, Lektorate, Absatzwege noch entschiedener verbaut und it-kanalisiert sind, als das in der Literatur allgemein heute üblich ist. Vorlektorate in 'Nachbarschaftshilfe' sollten amazon-Lektorat genannt werden. Die Verlage, die dann schließlich veröffentlichen, bestehen wohl zu einem guten Prozentsatz aus purem Idealismus.

Nebenbei liegt mal wieder ein Schreiben der GEZ am Tisch. Sie wollen, dass ich den Hauseigentümer verpfeife, wenn er keine GEZ-Nummer hat. Oder mich selbst, wenn es mir nicht gelingt, ihn zu überführen. Öffentlich-rechtliche Verlagsförderung aus GEZ-Mitteln (ohne 'gegenfinanzierende' Gebührenerhöhung) würde meine Zahlungsmoral - wäre ich 'Gebührenschuldner' enorm erhöhen.

Jeder schreibt, unter anderem auch der Jäger, der mich neulich mit seinem Hund Carlo auf der Wiese besuchte. Er wollte mal sehen, was ich so mache. Ich rauchte Zigarren und -ja- schrieb. An meinem jüngsten Manuskript. Auch er schreibt. Erzählte mir vom Elch, den er in Kanada erlegte, und der Geschichte dazu, die er per Hand notiert ... abtippen ließ und dann verschiedenen Fachzeitschriften zum Druck anbot. Verglichen mit einem Anthologiebeitrag verdiente der Jäger nicht schlecht daran. Aber Jäger entstammen ja auch selten den untersten Einkommensgruppen.

Der Elch hängt an der Wand. Auch ich schrieb etwa um die selbe Zeit eine Geschichte, in der ein Elch an der Wand hängt, Handspiel wurde im PENTHOUSE veröffentlicht und brachte nahezu die selbe Summe ein. Jäger und Sammler.

Ich habe mich ein bisschen in Marburg umgetan, weil dort meine nächste Kurzgeschichte spielt. Eine wunderbare Stadt, hinter deren Buntsteinfassaden Luther und Zwingli um ein Abendessen stritten. Die Frage, ob und wie Jesus in der Eucharestie gegenwärtig ist. Auch dort wird viel geschrieben. Besonders schön sind die kurzen Geschichten einer im Frühjahr verstorbenen Schwedin. Der Witz der Auslassung lag ihr besonders.

Es erinnert mich daran, dass ich ja eigentlich nicht schreiben wollte.