ALLöF WIRD GUT - Nachtgebet

Ich übernachte in einer Kiste, in der von den Ausmaßen her außer einem Mensch nur ein Regenschirm Platz hätte. Klatschnass. Die Grundfläche etwa die eines Schuhkartons, erlaubt die Höhe von komfortablen drei Fuß, eine meiner tauben Hände oben so zu fixieren, dass man, ohne die Kiste zu öffnen, eine Zigarette drin ausdrücken könnte. Nur für den Fall, dass ich einschlafen sollte. Von diesen Spinden sind zwei Dutzend in einem Container angebracht, in dessen Mitte ein Aufseher sitzt und Kette raucht. Sieben Bohrungen in Form der olympischen Ringe lassen den Blick in dieses düstere Labor schweifen und genügend Atemluft zu mir herein, um bei Vermeidung einer rettenden Ohnmacht das Konzept der Unsterblichkeit zu widerlegen. Mindestens eine gegenüber liegende Box ist außer meiner noch bewohnt, möglicherweise auch alle.
Man hat uns Wachs in die Ohren gegossen, sodass außer der konsequenten Beschallung des künstlichen Maschinenlärms von der Außenwelt kein Ton zu hören ist. Zuweilen fällt dem fehlenden Gehör auch das Gleichgewicht zum Opfer und man liest nur an dem Raucher ab, dass oben oben und unten unten ist. Der Mann hat keine Identität. ALLöF WIRD GUT ...
... auch das mit den Zähnen:

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Sein Gesicht sieht man nicht, aber wenn man einen Puls von sechzig zu Grunde legt, pafft er alle fünfzehn Minuten pünktlich eine Kippe weg. Die Zeit dazwischen füllt er mit Drops, die viel Menthol enthalten. Einer der Kerle, die ich bei meiner Begrüßung im Rücken hatte. Vermutlich die flache Hand.
Seine Uniform ist an den Armen hochgekrempelt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es selbst für diesen Vorgang eine Dienstanweisung gibt. Demzufolge wird die Tageshöchsttemperatur draußen über fünfundzwanzig Grad Celsius liegen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es mittlerweile Dienstag, und der Stimmung nach etwa halb elf. Die NATO-Pause ist in der Armee aus Berufssoldaten eine unantastbare Ikone wie im Weltkrieg das Cornedbeef der Wehrpflichtigen. Nur die Pinups sind nicht mehr das, was sie mal waren. Der Raucher scheint es eher mit Autos als mit Frauen zu haben. Nichts muss ein Gefangener so sehr fürchten wie die Enthaltsamkeit eines Aufsehers, der sich aus religiöser Überzeugung für sein erstes Date mit einem Gran Torino aufspart. Ausgenommen natürlich die perverse Schizophrenie des verheirateten Familienvaters. Der möglicherweise in diesem Moment sein methodistisches Vaterunser betet. Herr, gib uns die Kraft, unser Handwerk heute wohlgefällig zu tun. In deinem Namen Amen.

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