Polvo

Vielleicht noch schockierender in meiner Situation die Auskunft im SPAR-Lädchen an der Hauptkirche, dass es in Medina keine anderen Herbergen gibt. Und dass auch Busse heute nicht mehr verkehren. Dass es keine Taxen gibt und keine Bahn. Zuerst sitze ich mit meiner Wurst, einem Zipfel Brot und einer großen Wasserflasche am Kirchplatz und sehe den Bauleuten dabei zu, wie sie eine Fiesta vorbereiten, in der es um Kinder zu gehen scheint, die sich namentlich auf Deckchen verewigt haben - vermutlich im Rahmen einer Schulaufgabe. Die Deckchen wurden zu einem Baldachin zusammen genäht und werden gerade über den Kirchplatz gespannt. Es ist ergreifend, und ich bin entschlossen, die nächsten fünf Kilometer noch irgendwie zu versuchen. Wer weiß, vielleicht liest mich ein Autofahrer von der Straße auf? Es beginnen sehr schmerzhafte Stunden. Aber trotz allem, es geht. Mit meinem inzwischen ausgefeilten Selbstbetrug namens autogenes Training habe ich mir bei jedem Schritt eingeredet, dass es mir prächtig gehe, die Schmerzen ignoriert und soviel getrunken, wie reinging. Am Nachmittag bin ich in Puebla de Sancho Pérez und damit in einer Herberge, die man als luxuriös bezeichnen kann, habe geduscht, die Tour de France verfolgt und versuche, ob ich wieder auftreten kann.

Das Monte, so nennt sich unser Hostal/Restaurant ist eine originäre Westernkneipe. Ich treffe hier die Bauleute der Firmen wieder, die - natürlich im Auftrag der Chinesen - rund um den Ort Photovoltaik installieren. Die Herren sind bis zum Eichstrich betrunken. Es ist zwanzig Uhr. Die Wirtin müht sich parzellenweise, den Boden zu wischen, wenn dort gerade mal keiner der blau-gelben Maschinenführer steht. Alle Böden sind mit einer feinen Schicht Sedimente bedeckt, die sich nicht bekämpfen lässt. Als zwei der jüngeren Ingenieure hereinkommen, um sich volkstümlich zu geben, wie es scheint, fällt der Staub ins Auge, der ihre feinere Kleidung bedeckt wie die der Arbeiter. Der Schmier klebt ihnen am Schweiß, am Hintern, am Rücken und bedeckt auch die Ledermappen, an die sie sich klammern, als würden darin die Ersparnisse der Familie aufbewahrt. Oder ihr gesamtes Wissen über das, was die Arbeiter morgen zu graben, planieren und betonieren haben. Ich drehe eine Runde durch den Ort, die mich lehrt, keine unnötigen Runden durch Orte wie diese zu drehen. Wenn es einen Supermarkt gibt, dann hat er gerade geschlossen. Die Klimaanlage im Zimmer ruft. Eine Nacht mit Krämpfen in den Beinen. Zu wenig Elektrolyte. Muss ich mir merken. Gaspacho ist das Wundermittel der einheimischen Wanderer vergangener Zeiten, Ziegen- und Schweinehirten. Aller derjenigen, die sich nicht im Urlaub quälen.